Nanoforschung als Herzenssache – Martino Poggio wird neuer SNI-Direktor

Das SNI ist vielfältig. Auch Argovia-Professor Martino Poggio zeichnet sich unter anderem durch seine Vielfalt aus – sei es als leidenschaftlicher Forscher und visionärer Forschungsmanager oder was seine kulturelle Herkunft betrifft. Er kam 2009 als Argovia-Assistenzprofessor aus den USA an die Universität Basel und wird nun ab August 2022 die Leitung des SNI von Professor Christian Schönenberger übernehmen.

Martino Poggio

Martino Poggio wird ab 1. August 2022 Direktor des SNI. (Bild: C. Möller, SNI)

Von Wissenschaft geprägt
Martino Poggio wurde 1978 in Tübingen (Deutschland) geboren, wuchs dann aber in Boston (Massachusetts, USA) in einer durch Wissenschaft und Forschung geprägten Umgebung auf. Sein Vater war und ist Professor am MIT (MA, USA) und daher gehörten wissenschaftliche Themen für Martino zum Alltag.

Als Kind und Jugendlicher beschäftigte er sich mit Informatik, programmierte und hatte vor allem immer viele Fragen zu den unterschiedlichsten Themen. Ein Physikstudium erschien ihm dann die beste Möglichkeit auf einige dieser Fragen eine Antwort zu bekommen.

Er begann das Physikstudium an der Harvard University in Cambridge (MA, USA) und wie es dort unter Studierenden üblich ist, suchte er sich bereits im Bachelorstudium für die Sommerferien einen Job in einem der Labore. «Ich erinnere mich noch gut an meine Arbeit bei Professor Mara Prentiss, bei der ich einen Laser für atomphysikalische Experimente baute. Das war ziemlich anspruchsvoll. Es war dann einfach ein tolles Gefühl, als es funktionierte. Da habe ich gemerkt, dass es für mich wichtig ist, etwas mit meinen Händen zu machen und den Effekt zu sehen. Und das ist während meiner gesamten Karriere immer so geblieben,» erzählt er.

Wechsel an die Westküste
Zum Ende des Studiums und nach unzähligen Stunden im Prentiss Lab suchte Martino nach einer neuen Herausforderung ausserhalb von Boston. Santa Barbara in Kalifornien mit seinem ganz besonderen Flair erschien da eine willkommene Abwechslung. Er bewarb sich an der University of California in Santa Barbara bei Professor David Awschalom (der damals auch Reviewer beim NCCR Nano war) für einen Sommerjob. Diesen absolviert er wohl sehr erfolgreich, denn danach bot ihm David Awschalom an, für die Doktorarbeit im nächsten Jahr wiederzukommen.

Martino beschäftigte sich daher in seiner Dissertation mit ultraschneller Optik und Halbleiter-Spintronik. «Mich haben diese Arbeiten sehr interessiert und begeistert. Ich habe dabei aber immer mit mehreren tausend Spins zu tun gehabt und grosse Effekte gemessen», erinnert sich Martino, «und gemerkt, dass mich die Entwicklung sensitiverer Werkzeuge noch mehr reizt.»

Interesse an sensitiven Messungen
Das nötige Wissen dazu bekam er während seiner Postdoktorandenzeit von 2005–2008 im Labor von Dr. Dan Rugar am IBM Almaden Research Center in San José (Kalifornien, USA). «Dan hatte es geschafft mithilfe der Kernspinresonanz-Kraftmikroskopie einen einzigen Spin zu messen», erzählt Martino Poggio. «In seiner Gruppe konnte ich daher viele Grundlagen für meine jetzige Forschung zur Entwicklung empfindlicher Messmethoden erlernen.»

Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten in Kalifornien waren hervorragend. Martino sah die Chance, eine Assistenzprofessur zu bekommen und eine eigene Gruppe aufzubauen – einen Wunsch, den er schon als kleiner Junge hatte. Er bewarb sich auf verschiedene Stellen, unter anderem in Basel, da er zufällig von der ausgeschriebenen Argovia-Professur des neu gegründeten SNI an der Universität Basel erfahren hatte.

Auch Martino Poggio liegt die Ausblidung junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler am Herzen. (Bild: C. Möller, SNI)

Auch Martino Poggio liegt die Ausblidung junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler am Herzen. (Bild: C. Möller, SNI)

Grosser Schritt
«Am Ende hatte ich die Auswahl zwischen Minnesota, Pittsburg und Basel», erinnert sich Martino Poggio. Während für seine amerikanischen Kollegen ein Wechsel in die Schweiz nie in Frage gekommen wäre, stand Martino diesem Schritt aufgrund seiner italienischen Wurzeln und der existierenden familiären Verbindung zu Europa ganz offen gegenüber und so akzeptierte er das Angebot, das von den drei Möglichkeiten die beste war, um eine Forschungsgruppe von Weltklasse aufzubauen.

Er hat diesen Wechsel von den USA nach Europa nicht bereut. «Zwar ist hier das Startkapital etwas geringer als das in den USA der Fall gewesen wäre, aber es gibt eine kontinuierliche finanzielle Unterstützung, die mir geholfen hat, meine Gruppe aufzubauen,» bemerkt er. Von Anfang an war er beeindruckt von der Qualität der Ausstattung und den exzellenten Werkstätten, die das Departement Physik an der Universität Basel betreibt. Besonders in Basel war für ihn auch die immense Erfahrung und das Wissen auf dem Gebiet der Rastersondenmikroskopie, das auf Pionieren und Fachleuten wie Hans-Joachim Güntherodt, Christoph Gerber, Christian Schönenberger und Ernst Meyer gründet. Auch die Qualität der Ausbildung und der Wissenstand der Studierenden sind Faktoren, die Martino Poggio hier in Basel besonders schätzt.

Beim Aufbau seiner inzwischen auf siebzehn Mitglieder angewachsenen Forschungsgruppe haben ihm verschiede Grants wie ein ERC Starting Grant oder die Leitung eines FET-Open-Projekts entscheidend geholfen.

Mechanik, Magnetismus und Abbildungen auf der Nanoskala
Zusammen mit seinem Team hat sich Martino auf Forschung in den Bereichen Nano-Mechanik, Nano-Magnetismus und Nano-Imaging konzentriert. Gemeinsam ist allen drei Gebieten, dass hochempfindliche Sensoren und Geräte entwickelt werden, mit denen sich grundlegende physikalische Phänomene untersuchen lassen.

In der Nano-Mechanik setzen die Forschenden aus dem Poggio Lab neben stark verkleinerten (top-down) Geräten auch sich selbst organisierende Strukturen (bottom-up) ein, um winzige Kräfte, Spins oder Ladungen zu messen. Winzige Magnetfelder von einzelnen Magneten im Nanometerbereich sind die Untersuchungsobjekte von neuen Magnetometern, die das Poggio Lab ebenfalls entwickelt. Dabei konzentrieren sich die Forschenden auf den Magnetismus von niedrigdimensionalen Systemen um ein besseres Verständnis der magnetischen Konfiguration zu erlangen. Im dritten Bereich der Forschung im Poggio Lab arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an verschiedenen rastersondenmikroskopischen Methoden, um die Rastersondenmikroskopie noch sensitiver zu machen und lokale Messungen an Nanoobjekten durchführen zu können.

Managementaufgaben gehören dazu
Es sind diese Themen und die Arbeit im Labor, die Martino am meisten faszinieren. «Aber es ist klar, dass ich in meiner Position Verantwortung und Managementaufgaben übernehme», erläutert er. So war Martino Poggio von 2019 bis 2021 Vorsitzender des Departements Physik und ist Co-Direktor des NCCR Quantum Science and Technology (QSIT).

Ab 1. August 2022 wird er nun als SNI-Direktor die Leitung des interdisziplinären Netzwerks übernehmen. «Ich habe dem SNI viel zu verdanken und es ist jetzt an der Zeit etwas zurückzugeben», antwortet er auf die Frage, warum ihn die Aufgabe als SNI-Direktor interessiert. «Zudem ist die Nanoforschung, die das SNI interstützt, wirklich eine Herzenssache für mich.»

Sichtbarkeit und Wachstum
Für Martino Poggio ist das SNI eine ideale Kombination von Exzellenz und Breite mit einem spannenden vielfältigen Portfolio an unterstützten Projekten. «Die Zusammensetzung der Netzwerkpartner mit Universitäten und Grossforschungseinrichtungen ist divers, erlaubt unterschiedliche Arten des Arbeitens und eine Vielzahl verschiedener Projekte», bemerkt er. Daneben schätzt er die breite Ausbildung, die Studierende im Nanocurriculum bekommen: «Ich wäre damals an so einem Programm interessiert gewesen, da es mir Antworten auf viele meiner Fragen gegeben hätte.»

Für die Zukunft des SNI wünscht sich Martino Poggio, dass die besondere Atmosphäre am SNI bestehen bleibt und sowohl der Kanton Aargau als auch die Universität Basel das SNI weiter grosszügig unterstützen. Zudem sieht er das SNI der Zukunft mit einer besseren Sichtbarkeit und grösser. «Es gibt einige grosse Nanozentren in der Welt und ich sehe keinen Grund, warum Basel nicht auch dazu gehören sollte. Mit dem NCCR Nano wurde hier exzellente Aufbauarbeit geleistet, die das SNI fortgeführt hat.»

Eine der Grundvoraussetzungen für ein Wachstum, wie es sich Martino Poggio vorstellt, wäre ein eigenes Gebäude, wie dies auch bereits von Hans-Joachim Güntherodt und Christian Schönenberger angestrebt wurde – was aber nicht in den Händen des SNI-Direktors liegt.

Auf jeden Fall geht die Einrichtung des Nanotechnology Centers, welches das bestens etablierte Nano Imaging Lab mit dem neu entstehenden Nano Fabrication Lab unter einem Dach zusammenfasst, in diese Richtung das SNI zu vergrössern, zusätzliche Dienstleistungen anzubieten und es für fit für die Zukunft zu machen.

Weitere Informationen:

Poggio Lab
https://poggiolab.unibas.ch