Vergessene Daten: Ein trockenes Thema spannend präsentiert und prämiert

Simone Pengue hat mit einer Dokumentation über vergessene Daten den «Prix Média Newcomer» 2021 der Akademien der Wissenschaften Schweiz gewonnen. Simone ist Doktorand in der Arbeitsgruppe von Argovia-Professor Roderick Lim am Biozentrum. Neben der eigenen Forschung ist es seine Passion, Wissenschaft anschaulich und unterhaltsam zu erklären. Im Interview erläutert er, wie er dazu kam, den unterhaltsamen und interessanten Film zu drehen und sich neben der anspruchsvollen Arbeit als Doktorand für Wissenschaftskommunikation einzusetzen.

Simone Pengue hat den «Prix Média Newcomer» 2021 der Akademien der Wissenschaften Schweiz gewonnen.

Simone Pengue hat den «Prix Média Newcomer» 2021 der Akademien der Wissenschaften Schweiz gewonnen.

Als Physiker von Proteinen fasziniert
Hauptberuflich arbeitet Simone Pengue in der Gruppe von Argovia-Professor Roderick Lim an seiner Doktorarbeit über die Dynamik von Proteinen. Der junge Physiker, der in Como seinen Bachelor und in Fribourg seinen Master absolvierte, hatte zunächst andere Themen im Visier und hat bei seiner Promotion erst einmal einen kleinen Umweg eingeschlagen.

Nach dem Master kam er 2017 nämlich in die Gruppe von Professor Philipp Treutlein am Departement Physik, um dort in atomarer Physik zu promovieren. Recht schnell wurde ihm jedoch klar, dass dieses Themengebiet nicht das richtige für ihn war. Er wechselte zur Biophysik in die Gruppe von Roderick Lim und befasst sich seither mit der komplexen Welt der Proteine. «Obwohl ich vorher nicht auf dem Gebiet gearbeitet hatte, war ich fasziniert. Und Rod hat mir zugetraut, dass ich mich schnell einarbeiten werde», kommentiert Simone seinen Wechsel.

Interesse an Wissenschaftsjournalismus
In dieser Zeit begann er auch, sich für Wissenschaftsjournalismus zu interessieren. Philipp Treutlein hatte ihm den Rat gegeben, das zu machen, was für ihn selbstverständlich sei und ganz von alleine komme. Für Simone war das schon immer, über seine Arbeit zu reden und über Forschung zu berichten. So fragte er einen Freund, der bei Keystone-sda-Nachrichten arbeitet, nach Kontakten von Wissenschaftsjournalisten. Zudem trat er dem Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus bei und begann sich ein kleines Netzwerk aufzubauen. Ein paar Mal im Jahr schreibt er seither Artikel über wissenschaftliche Themen für ein breites Publikum – unter anderem für die Kommunikationsagentur «catta». Dessen Gründerin machte ihn auch auf die Ausschreibung zum Prix Média Newcomer 2021 aufmerksam.

Simone hatte bereits an dem Workshop «Storytelling & Storyboarding in Science» beim Zürich Film Festival teilgenommen (Oktober 2020), der von der Akademie der Wissenschaften Schweiz und Schweizer Universitäten mit dem Locarno Film Festival als Partner organisiert wird. Schon bevor Simone die Anregung zur Teilnahme an dem Filmwettbewerb bekam, hatte er eine Filmidee im Kopf.

Simone arbeitet als Doktorand im Team von Argovia-Professor Roderick Lim am Biozentrum der Universität Basel.

Simone arbeitet als Doktorand im Team von Argovia-Professor Roderick Lim am Biozentrum der Universität Basel.

Schicksal der wissenschaftlichen Daten
Zu Beginn seines Doktorats am Biozentrum war ihm gesagt worden, dass alle Daten auf einem Server gesichert werden sollten. Die Fragen, was mit den Daten passiert, wer Zugriff darauf hat und wie sie weiterverwenden werden, waren für ihn jedoch nicht vollständig geklärt.

Ganz aktuell wurde die Frage für Simone, als er bei Messungen zur Dynamik von Proteinen Muster bei anderen physikalischen Parametern (Lebensdauer des Fluorophors) beobachtet. Er selbst und seine Laborkolleginnen und -kollegen hatten für derartige Daten keine wissenschaftliche Fragestellung und daher kein Interesse oder die Zeit dies weiter zu verfolgen.

«Ich dachte mir, dass die Beobachtungen und Daten jedoch für andere Forschenden durchaus relevant sein könnten», erinnert sich Simone, «ich aber gar nicht weiss, wie ich sie anderen Gruppen zur Verfügung stellen kann.» So wuchs in ihm die Idee, einen Film über derartige Daten zu machen und allgemein der Frage nachzugehen, was mit den grossen Datenmengen in der Wissenschaft passiert, ob und wie sie geteilt werden können und welche Punkte es dabei zu beachten gilt.

Fürs Finale ausgewählt
So reichte Simone im April eine Kurzbeschreibung seines Films «FORGOTTEN DATA: The Leftovers of Science» ein. Kurze Zeit später kam die positive Rückmeldung, dass sein Film einer der beiden mit 3000 Schweizer Franken geförderten Projekte sei und er mit der genauen Planung loslegen könne.

Für Simone begann mit der frohen Botschaft eine stressige Zeit. Zusammen mit seinem Bruder Lorenzo, der den technischen Part übernahm, plante, interviewte, schnitt, editierte und übersetze Simone die 38-minütige Dokumentation – und das alles neben seiner Arbeit als Doktorand, die in dieser Zeit wie gewohnt weiterlief. Einzig für die Interviews mit verschiedenen Experten nahm er sich fünf Tage frei. Alle anderen Aktivitäten für den Film passierten abends und nachts, nachdem er tagsüber an einem Manuskript für eine Veröffentlichung als Teil seiner Dissertation geschrieben hatte.

Wertvolle Anregung zur Diskussion
Es hat sich gelohnt! Simone und sein Bruder haben den Prix Média Newcomer gewonnen und ein Preisgeld von 4.000 Schweizer Franken erhalten. Mit ihrem Film haben sie einen wertvollen Beitrag zu einem aktuellen, wichtigen Thema geleistet und in einigen Kreisen die Diskussion um das Schicksal von wissenschaftlichen Daten weiter angeregt.

«Im Allgemeinen sollten wissenschaftliche Daten ja schon öffentlich zugänglich sein, aber es ist klar geworden, dass es keine Lösung für alle Eventualitäten gibt und durchaus Fälle existieren, bei denen eine Veröffentlichung der Rohdaten Probleme bereitet», fasst Simone zusammen.

Im Laufe der Recherchen hat er festgestellt, dass es bei der freien Zugänglichkeit von Daten grosse Unterschiede in den unterschiedlichen Disziplinen gibt. «Während Forschende im Bereich der energiereichen Physik wie am CERN alle Daten teilen, spielt bei medizinischen Untersuchungen der Datenschutz von personenbezogenen Daten eine grosse Rolle», berichtet er.

Auf die Frage, ob er sich auch in Zukunft näher mit dem Thema auseinandersetzen wird, antwortet Simone: «Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir zusammen mit Bioethikern als Follow-up eine Konferenz organisieren, bei der wir Information über die Zugänglichkeit von Daten in verschiedenen Tätigkeitsgebieten diskutieren.»

Das SNI-Team wird diese Diskussion weiterverfolgen und gratuliert ganz herzlich zu der wohlverdienten Auszeichnung.

Weitere Information:

Trailer des Videos

Dokumentation Forgotten Data: The Leftovers of Science (38 Minuten)

Forschungsgruppe Roderick Lim