/ Erfolgsgeschichten
Automatisiert und verlustfrei vorbereitet für die Kryo-EM-Analyse - Das Startup cryoWrite liefert sein erstes Gerät aus
Der Name cryoWrite taucht im SNI-Netzwerk in Zusammenhang mit einem Instrument zur Kryo-Elektronenmikroskopie-Probenvorbereitung schon seit ein paar Jahren auf. Seit 2020 existiert auch eine Firma mit diesem Namen, die ab Oktober 2023 von dem SNI-Alumnus Dr. Patrick Frederix geleitet wird. Das in Basel ansässige Startup bringt ein automatisiertes System auf den Markt, mit dem sich winzige Probenmengen verlustfrei für die Kryo-Elektronenmikroskopie vorbereiten lassen. Kürzlich haben die drei Mitarbeiter von cryoWrite ihr erstes Instrument an die Gruppe von Professor Dr. Henning Stahlberg an der EPFL ausgeliefert. Zurzeit arbeitet das Team an einem weiteren Gerät für die Pharmafirma Roche und demonstriert verschiedenen Kunden die Einsatzmöglichkeiten ihres modularen Probenvorbereitungssystems.
Aus der Grundlagenforschung ist die Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) heutzutage nicht mehr wegzudenken, da biologische Proben wie Zellen oder Proteine in ihrer natürlichen Umgebung untersucht werden können und nicht eingebettet, fixiert oder mit Kontrastmittel behandelt werden müssen. Dank immer besser werdender Technik und optimierten Kameras lassen sich mithilfe der Kryo-EM, die bei Temperaturen von unter -180°C erfolgt, heute dreidimensionale Strukturen von Molekülen in einzelnen Zellen darstellen und aufklären.
Glasartiges Wasser
Wichtig bei dem Prozess ist die Probenvorbereitung, bei der verhindert werden muss, dass Eiskristalle entstehen, die feine Strukturen zerstören. Für die Kryo-EM werden Proben daher blitzschnell schockgefroren. Fachleute reden dabei von einer Vitrifizierung der Probe, bei der das Wasser in einen glasartigen, amorphen Zustand versetzt wird und so Strukturen in der Zelle nicht beschädigt.
Das Team von Dr. Thomas Braun vom Biozentrum der Universität Basel arbeitet schon seit Jahren daran, den Prozess der Probenvorbereitung für Kyro-EM zu miniaturisieren und automatisieren. Einige Nano-Argovia-Projekte und Doktorarbeiten drehten sich um unterschiedliche Aspekte dazu und wurden vom SNI unterstützt. Die Erfindungen wurden mit Unterstützung von Unitectra patentiert, was ein erster Schritt zur Entwicklung eines kommerziellen Gerätes für die Kryo-EM Probenvorbereitung war.
2019 gab es mit der Gründung des Startups Nuonex einen ersten Anlauf dies kommerziell umzusetzen. Dieser erste Versuch wurde jedoch von den beiden jungen Unternehmern beendet.
Gründung im Sommer 2020
Richtig Fahrt aufgenommen hat die Kommerzialisierung des cryoWriters dann im August 2020, als der emeritierte Professor Dr. Andreas Engel zusammen mit zwei Partnern das Unternehmen cryoWrite gründete. Das Team war bereits mit dem cryoWrite-System vertraut und vom Nutzen eines automatisierten Kryo-EM-Probenvorbereitungssystems überzeugt. Mit Dr. Hans-Andreas Engel aus dem Vorstand der Biovalley Basel Association hatten die Forschenden nun auch einen erfahrenen Investor an Board.
Das Ziel der jungen Firma ist, mit einem modularen automatisierten System neue Wege für eine effiziente und reproduzierbare Probenvorbereitung zur Nutzung der Kryo-EM-Technologie anzubieten.
Die Aufarbeitung biologischer Proben beginnt dabei beispielsweise mit der Auswahl einer Zelle aus einer Zellkultur, der Aufbrechung der Zelle und der Entnahme des Zellinhalts, der auf das Gitter geschrieben wird. Innerhalb des cryoWrite-Systems kann auch ein effektiver automatisierter Reinigungsschritt erfolgen, bei dem ein bestimmtes Protein isoliert wird. Zwei Nanoliter des zu untersuchenden Materials reichen aus, um als dünne Schicht auf ein Gitter für die Elektronenmikroskopie geschrieben zu werden. Das Gitter wird nach dem Aufbringen der Probe mit hoher Geschwindigkeit in flüssiges Ethan getaucht und damit vitrifiziert. Zu dem Automatisierungsprozess gehört ebenfalls die Überführung des Gitters in ein gekühltes Aufbewahrungssystem für den Transport.
«Unser Konzept ist modular», erklärt Andreas Engel. «Wir arbeiten kontinuierlich daran, Ergänzungsmodule zu entwickeln, die das System noch breiter einsetzbar machen. Das Modul, das wir im Nano-Argovia-Projekt FuncEM entwickeln, soll beispielsweise die Abbildung der «lebenden» Proben unter einem Lichtmikroskop unmittelbar vor dem Gefrierprozess ermöglichen und so relevante Information über die Funktionalität der untersuchten Strukturen liefern», ergänzt er.
Erfolg nach Überwindung einiger Hürden
Obwohl das Team über langjährige Erfahrung verfügt, lief nach der Firmengründung 2020 nicht alles glatt. «Die Pandemie verursachte Probleme und auch die Fokussierung auf bestimmte Aufgabenstellungen war nicht immer leicht für das sehr kreative und überaus motivierte Team», berichtet Andreas Engel im Interview.
Im Sommer 2021 hatten es die beiden Ingenieure Nicolás Candia und Alejandro Lorca Mouliaá aber geschafft, einen Prototyp fertig-
zustellen, der dann auch potenziellen Kunden vorgeführt werden konnte. «Bei dem gesamten Entwicklungsprozess haben wir wertvolle Unterstützung von Sascha Martin aus der Mechanik-Werkstatt des Departement Physik der Universität Basel bekommen», erzählt Andreas Engel. «Und auch das BioEM Lab des Biozentrum unter Leitung von Dr. Mohamed Chami ist eine wertvolle Stütze, da hier die mit unserem System aufbereiteten Proben elektronenmikroskopisch analysiert werden.»
Die erste Bestellung eines Geräts kam von Professor Henning Stahlberg von der EPFL, der die Anfänge von cryoWrite bereits aus seiner Zeit in Basel kannte. «Im März konnten wir dieses erste Gerät ausliefern und damit einen wichtigen Meilenstein auf dem doch recht steinigen Weg zum Erfolg erreichen», berichtet Andreas Engel.
«Der cryoWriter eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten. Nur mit diesem Gerät haben wir die Chance einzigartige Proben zu untersuchen, von denen uns nur winzige Mengen zur Verfügung stehen.»
Prof. Dr. Henning Stahlberg, Laboratory of Biological Electron Microscopy (LBEM), EPF Lausanne
Die zweite Bestellung kam von der Pharmafirma Roche aus Basel, mit denen cryoWrite schon seit langem in Kontakt steht. Dieses zweite Gerät wird Ende des Sommers 2023 ausgeliefert und bis Anfang 2024 mit verschiedenen Optionen erweitert werden.
Zurzeit führt das cryoWrite-Team ihr Gerät verschiedenen Kunden aus der Region vor. Bei diesen Demonstrationen werden die mitgebrachten Proben für die Analyse vorbereitet, welche die Kunden dann mit ihren eigenen Elektronenmikroskopen analysieren.
«Unser System ist dem von Konkurrenten um Längen voraus», berichtet Andreas Engel. «Aber es gibt immer wieder Fragestellungen und Aufgaben, bei denen sich noch Möglichkeiten für Verbesserungen bieten. Daher ist es zurzeit für uns ideal mit technisch starken Kunden zusammen zu arbeiten, für die wir dann recht schnell einen optimalen Service anbieten können.»
Pläne für die Zukunft
Neben der ersten Auslieferung des cryoWriter hat das Team in diesem Jahr einen weiteren Meilenstein erreicht. Anfang Mai erfolgte der Umzug in ein grösseres Labor im Rosental Areal mit weit besseren Arbeitsbedingungen. «Wir haben hier eine kleine Fabrik, die selbst wenn wir in Zukunft etwas wachsen, optimale Bedingungen bietet», berichtet Andreas Engel.
Über die Zukunft macht sich der Gründer von cryoWrite neben all den zahlreichen alltäglichen Aufgaben natürlich etliche Gedanken. Das Ziel ist, in den nächsten Jahren zehn Geräte zu verkaufen – von denen jedes rund eine halbe Million Schweizer Franken kostet. Im Zug einer stabilen Auftragslage wäre es dann auch notwendig weitere Mitarbeitende einzustellen, die den Kunden schnell für den Service zur Verfügung stehen. «Sobald unser Bestellungsportfolio etwas dicker ist, streben wir dann auch eine Finanzierungsrunde an, um cryoWrite weiter voranzubringen», führt Andreas Engel aus.
Neue Ideen wird sicher auch Dr. Patrick Frederix mit einbringen. Der Physiker, der viele Jahre lang bei Nanosurf die Abteilung Anwendung und Service geleitet hat, stösst ab Oktober als Geschäftsführer zu cryoWrite.
«Das Hauptziel ist selbstverständlich, dass wir im Team die Firma zu einem Erfolg zu machen. Eine technische Lösung steht schon. Jetzt müssen wir der EM Community zeigen, was wir zu bieten haben und wie unsere Lösung helfen kann, schneller exzellente Resultaten zu bekommen – was sowohl in der Industrie als auch in der akademischen Forschung von Interesse ist.»
Dr. Patrick Frederix, ab Oktober CEO bei cryoWrite