/ News, Portraits
Bert Müller
Bert Müller ist Professor für Materialwissenschaft in der Medizin am Universitätsspital der Universität Basel und leitet auch immer wieder Projekte am Swiss Nanoscience Institute. Er ist Physiker, bekommt die Anstösse zu seiner Forschung jedoch meistens von Medizinern. Die Themen, mit denen er sich beschäftigt sind vielfältig. Und vielfältig sind auch die Positionen, die Bert Müller inne hatte, bevor er im Jahr 2006 seine Thomas Straumann Professur an der Universität Basel antrat. Bert Müller absolvierte im Laufe seines Berufslebens nicht nur etliche Stationen, er übte oft auch verschiedene Positionen gleichzeitig aus. Dass er dies hervorragend bewältigt, zeigt beispielsweise die jüngste Auszeichnung der International Society for Optics and Photonics, die ihn im März dieses Jahres zum Fellow ernannte.
Ausbildung gleich doppelt
Der 1962 in Berlin geborene Bert Müller machte zunächst eine Schlosserlehre mit Schwerpunkt Maschinenbau. Parallel dazu drückte er die Schulbank und absolvierte sein Abitur. Nachdem er als Schaltschlosser etwas Berufserfahrung gesammelt hatte, entschied er sich, in Dresden Physik zu studieren. In der Schulzeit hatte ihn Chemie zwar deutlich mehr begeistert, aber er war schon damals fasziniert von den Möglichkeiten, die sich einem Physiker eröffnen. Da Englisch für Naturwissenschaftler enorm wichtig ist, erschien es ihm zudem sinnvoll, gleichzeitig auch Englisch zu studieren. Seine Studienzeit beendete er daher 1989 nicht nur mit einem Physik-Diplom sondern auch mit einem Staatsexamen als Englischübersetzer für Physik und Mathematik. Anschliessend forschte er am jetzigen Paul Drude Institut für Festkörperphysik in Berlin bevor er zunächst als Gastwissenschaftler dann später als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Team von Professor Martin Henzler an der Universität Hannover stiess. Seine aus dieser Arbeit resultierende Doktorarbeit über Elektronenbeugung wurde von der American Vacuum Society 1994 mit dem Morton M. Traum Award ausgezeichnet.
Die nächste Station für Müller war eine Post-Doc Anstellung an der Universität Paderborn. „Meine Freunde witzelten über den „Aufstieg“ von Berlin über Hannover nach Paderborn“, lacht Müller. Jedoch hat er diese Zeit in guter Erinnerung und sieht auch keine grossen Unterschiede in wissenschaftlicher Qualität, Ausstattung und Ausbildung zwischen den drei deutschen Universitäten, die er kennengelernt hat.
Umzug in die Schweiz
Ab 1995 machte sich Müller auf, verschiedene technische Universitäten in der Schweiz kennenzulernen. Zunächst bekam er ein Stipendium der Humboldtstiftung an der EPF in Lausanne. 1997 wurde er Gruppenleiter für dünne organische Schichten im Physik Departement der ETH Zürich und schloss hier auch seine Habilitation über nanostrukturierte Werkstoffe ab. Mitte 1998 wechselte er an die EMPA, um chirale Moleküle zu untersuchen und biokompatible Materialien zu visualisieren. Ihm wurde jedoch schnell klar, dass ihm das universitäre Arbeitsumfeld eher zusagte und so entschied er sich 1999 an die ETH Zürich zurückzukehren. In seiner neuen Funktion als Leitender Oberassistent in der Gruppe für Biokompatible Werkstoffe und Bauweisen des Chirurgen Professor Erich Wintermantel kam er erstmals in seiner Karriere vermehrt in Kontakt mit medizinischen Fragestellungen. Der Kontakt mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Disziplinen nahm in den Folgejahren noch weiter zu. Denn ab 2001 leitete er als Geschäftsführer den Nationalen Forschungsschwerpunkt Co-Me (Computer-aided and image guided medical interventions). Hier kamen Mediziner, Informatiker und Physikern zusammen und mussten lernen, die gleiche Sprache zu sprechen. „Das war gar nicht so einfach“, erinnert sich Müller. „Wenn zum Beispiel ein Physiker von einer Probe spricht, meint er damit etwas vollkommen anderes als ein Mediziner. Mit Offenheit, Akzeptanz und viel Zeit schafft man es aber voneinander zu lernen und zu profitieren, so dass am Ende der Output grösser ist als die Summe der Einzelleistungen.“ Seine eigene Forschung führte Müller in dieser Zeit ausserhalb des NFS Co-Me weiter, da er sich als Geschäftsführer grösste Neutralität erhalten wollte. Zudem unterrichtete er als Privatdozent an der ETH Zürich.
Interdisziplinäres Umfeld
Seit 2006 hat Müller die Thomas Straumann Professur für Materialwissenschaft in der Medizin inne und ist Leiter des Biomaterials Science Center am Universitätsspital der Universität Basel. Auch hier sind seine Vielseitigkeit und seine Erfahrung im interdisziplinären Arbeiten elementar. Denn in vielen Fällen sind es Mediziner, die von dem Physiker Müller eine Problemlösung erhoffen. So kam zum Beispiel Professor Hubert John vom Universitätsspital Zürich auf ihn zu, da viele seiner Patienten unter Inkontinenz litten und er mit den zur Verfügung stehenden künstlichen Schliessmuskeln nicht zufrieden war. Müller leitete zunächst einen Diplomanden an, dieses Problem zu bearbeiten. Es folgte ein KTI-Projekt und ein Nationalfonds-Projekt. Zurzeit ist eine ganze Arbeitsgruppe in Müllers Labor im Rahmen eines Nano-Tera Projektes dabei, in den nächsten drei Jahren die Grundlagen für ein adaptives System zu entwickeln (siehe auch Titelgeschichte).
In Müllers Gruppe arbeiten zurzeit rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von Medizinern, Zahnmedizinern, Chemikern über Ingenieure, Informatiker bis zu Materialwissenschaftlern und Physiker sind viele Disziplinen vertreten. Fast zwei Jahre lang waren zwei PostDoc-Stellen offen, die nicht so leicht zu besetzen waren, da junge Forschende mit den nötigen Ambitionen und Qualifikationen rar sind. „Für einen Physiker ist es zum Beispiel nicht immer leicht in dem medizinischen Bereich zu arbeiten“, kommentiert Müller. „Wir sind es aus der Physik gewohnt, Parameter exakt zu definieren. In der Medizin geht das aber nicht immer.“ Als Beispiel dafür erklärt er, wie die Biokompatibilität eines Stoffes nicht vom Material abhängt sondern vom Einsatzort. „Titandioxid zum Beispiel ist für Knochen biokompatibel, für die Leber jedoch nicht.“ Zudem sind Standards im medizinischen Bereich nicht gleichbleibend. „Es ist beispielsweise gut möglich, dass ein Material, das heute als biokompatibel mit Blut bewertet wird, diese Anforderungen im nächsten Jahr nicht mehr erfüllt, da sich die Tests geändert haben“, erläutert Müller. Jungen Leuten, die sich von solchen Faktoren jedoch nicht abschrecken lassen und gerne in seinem spannenden vielseitigen Forschungsbereich Fuss fassen wollen, rät er zunächst eine solide Grundausbildung zu absolvieren. „Es ist wichtig, zu wissen, wo man herkommt und eine saubere Wissensbasis zu haben“, bemerkt er.
Diese hat Bert Müller zweifelsfrei. Und nach wie vor macht es ihm nichts aus, mehrere Dinge parallel zu tun. So übt er neben seiner Tätigkeit an der Universität Basel noch weiterhin seinen Lehrauftrag an der ETH Zürich aus. Mit seiner Familie wohnt er in der Nähe von Zürich, er hat aber auch eine Wohnung in Basel. Und das Interview, das die Grundlage zu diesem Artikel legt, führen wir in einer Pause der CLINAM Konferenz (European Foundation for Clinical Nanomedicine), bei der er erfolgreich seine vielfältigen Projekte präsentiert.