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Elektronenbeugung für die Strukturanalyse – Einzigartiges Angebot für Mitglieder des SNI-Netzwerks
Das im SNI-Netzwerk entstandene Startup «ELDICO Scientific» hat ein Elektronenbeugungs-Messgerät auf den Markt gebracht, mit dem sich die räumliche Atomstruktur von nanoskaligen Materialien analysieren lässt. Eines der ersten Geräte wird der «Innovationsplattform Electron Diffraction NWCH» zur Verfügung stehen. ELDICO Scientific betreibt diese Plattform gemeinsam mit Switzerland Innovation Park BaselArea, die von einem Konsortium von derzeit vier Mitgliedern genutzt werden kann. Das SNI ist der akademische Partner in diesem Zusammenschluss und öffnet damit seinem Netzwerk die Tür zu der vielversprechenden Technologie.
Wegweisendes Nano-Argovia-Projekt
Die räumliche Struktur einer chemischen Verbindung ist für ihre Funktion elementar. Doch ist es oft gar nicht so einfach, Informationen über die dreidimensionale Struktur zu erhalten, wenn Substanzen nicht in Form von Kristallen bestimmter Grösse vorliegen. Doch das kann sich ändern, wie eine aufsehenerregende Publikation in «Angewandte Chemie» aus dem Jahr 2018 gezeigt hat.
Dr. Tim Grüne und ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam hat damals im Rahmen des Nano-Argovia-Projekts «A3EDPI» belegt, dass sich die Beugungsmuster von Elektronenstrahlen sehr gut eignen, um die räumliche Struktur von winzigen organischen Nanokristallen in Pulverform aufzuklären. Während die Elektronenbeugung genug Information für die Strukturaufklärung lieferte, hätten Röntgen- oder Synchrotronstrahlen bei der untersuchten geringen Kristallgrösse nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Für diesen proof-of-concept kombinierten die Forschenden auf dem Markt befindliche Geräte, die jedoch für die Beugungsmessungen nicht optimiert waren.
Zahlreiche Meilensteine erreicht
Das zu ändern, ist das Ziel von ELDICO Scientific. Das junge Startup hat ein Elektronenbeugungs-Messgerät (Elektronendiffraktometer) entwickelt, das speziell für kristallographische Anwendungen gedacht ist.
Im Mai 2019 begann diese spannende Reise mit der Patentanmeldung, kurz darauf gefolgt von der Firmengründung im Juni 2019. In der Zwischenzeit haben die vier ELDICO-Gründer Dr. Gustavo Santiso-Quinones, Dr. Gunther Steinfeld, Nils Gebhardt und Dr. Eric Hovestreydt viel erreicht.
Dank verschiedener privater und institutioneller Investoren konnte ELDICO Scientific mehr als vier Millionen Schweizer Franken Kapital einwerben. Das Startup hat ein exzellentes Advisory Board mit international führenden Kristallographinnen und Kristallographen etabliert. Der Gewinn des Venture Kick Award 2020, des R&D 100 Awards sowie einige anderer Preise zeigt, wie professionell das Team agiert. Vier neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für technische Entwicklung, Vertrieb, Kommunikation und Anwendungsservice treiben die Entwicklung des Aargauer Startups weiter voran.
Erste erfolgreiche Messungen
Das Corona-Jahr 2020 hat das Team vor allem für die Realisierung, Kalibrierung und Optimierung des Geräts genutzt. Im Mai 2021 war es dann soweit: Erste Messungen mit dem ELDICO ED-1, so der Produktname des neuen Diffraktometers, führten zu der dreidimensionalen Struktur der untersuchten Probe. Zurzeit testet und verbessert der Partner für den Gerätebau AXILON in Köln (Deutschland) das erste Gerät weiterhin, sodass die offizielle Lancierung im August 2021 erfolgen kann.
Parallel zu den Arbeiten am Diffraktometer informierte das ELDICO-Team Fachleute aus Industrie und Akademie über die Pläne, Anwendungen und Ergebnisse. «Aufgrund abgesagter Konferenzen haben wir uns dabei vor allem auf die Organisation eigener Webinare fokussiert», berichtet Nils Gebhardt, CFO bei ELDICO. «Wir konnten dafür zahlreiche internationale Expertinnen und Experten als Sprecher gewinnen und hatten pro Veranstaltungen jeweils mehr als 200 Anmeldungen. Das zeigt, dass das Interesse in der wissenschaftlichen Community wirklich gross ist und wir wahrgenommen werden.»
Auch in der Nordwestschweiz gibt es zahlreiche Forschende, die Elektronenbeugung ohne aufwendige Herstellung von Kristallen geeigneter Grösse einsetzen möchten. Dabei muss es nicht unbedingt um die Strukturaufklärung unbekannter Verbindungen gehen.
«Mit unserem Gerät können wir beispielsweise verschiedene Kristallstrukturen einer Substanz (Polymorphie) untersuchen oder auch kristalline Ablagerungen in Flüssigkeiten identifizieren – was beispielsweise für die Qualitätskontrolle relevant sein kann. Unser Gerät erlaubt ganz unterschiedliche Proben zu analysieren – von geologischen mineralischen Proben über kleine Moleküle, die für pharmazeutische Anwendungen interessant sind, bis zu Nanodrähten oder anderen Nanomaterialien, bei denen wir mit herkömmlichen kristallographischen Methoden Schwierigkeiten hätten», erklärt CEO Dr. Eric Hovestreydt.
Einzigartige Chance für SNI-Netzwerk
Mitglieder im SNI-Netzwerk können die Technologie für ihre Anwendungen bald testen und ihre unterschiedlichen Fragestellungen mit den ELDICO-Experten diskutieren.
Das SNI ist der akademische Partner eines Konsortiums von vier Partnern aus der Region, denen das ELDICO ED-1 zur Verfügung steht. Dr. Arianna Lanza, Application Scientist bei ELDICO, wird die Innovationsplattform betreuen. Sie kommt vom Nanotechnology Innovation@NEST of Istituto Italiano di Tecnologia in PISA (Italien) und verfügt über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Elektronenbeugung, Nano-Kristallographie und Strukturaufklärung.
Jeder der Partner im Konsortium kann die Anlage nutzen – bei grösseren Projekten selbst nach einer umfassenden Einführung, bei kleineren Aufträgen über das Serviceangebot durch Arianna Lanza. «Wir gehen davon aus, dass jedem Mitglied des Konsortiums etwa 40 Messtage zur Verfügung stehen», erläutert Nils Gebhardt. «Wobei es uns wichtig ist, dass wir flexibel und konstruktiv zusammenarbeiten und uns auf die individuellen Bedürfnisse einrichten. Wir werden die zur Verfügung stehenden Messtage so ausgewogen vergeben, dass alle zum Zug kommen.» Für ELDICO Scientific wäre es ideal, wenn Daten aus den Messungen veröffentlicht werden – das ist jedoch keineswegs Voraussetzung für die Zusammenarbeit.
Das Gerät wird voraussichtlich ab Mitte bis Ende September 2021 in Räumen von Basel Area Business & Innovation in Allschwil aufgebaut und betriebsbereit sein. Von diesem provisorischen Standort wandert die Anlage dann später in das GRID, dem Hauptstandort des Switzerland Innovation Park Basel Area.
«Wir sind gespannt auf die Projekte, zu denen wir mit der neuen Technologie beitragen können», sagt Eric Hovestreydt. «Für uns wie auch für unsere Kunden ist diese Innovationsplattform eine einzigartige Gelegenheit voneinander zu lernen und die Elektronendiffraktometrie in der Kristallographie weiter zu entwickeln.»
Weitere Informationen:
Publikation in Angewandte Chemie
Bei Interesse wenden Sie sich bitte direkt an: basel@cluttereldico.ch