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Gastbeitrag von Nicolai Jung: Ein unvergessliches Jahr an der Harvard University

Seit Beginn meines Studiums hatte ich immer den Plan auch mal an einer anderen Universität im Ausland zu studieren, um meinen Horizont zu erweitern. Mit einem wundervollen Jahr an der Harvard University (Massachusetts, USA) habe ich diesen Traum verwirklicht. In dieser spannenden Zeit habe ich nicht nur wertvolle wissenschaftliche Erfahrung ausserhalb der Schweiz gesammelt, sondern auch viel über die Gründung eines Unternehmens gelernt, mein Netzwerk ausgebaut und Quidditch spielen gelernt.

Masterarbeit ist ein guter Zeitpunkt
Das Bachelorstudium in Nanowissenschaften hat mit vielen Vorlesungen, Praktika und den Blockkursen einen sehr engen Zeitplan. Daher hatte ich mich entschieden, meinen Auslandsaufenthalt während des Masterstudiums einzuplanen. Das ging relativ einfach, da wir für eine Masterarbeit im Ausland nur eine Professorin oder einen Professor an der Universität Basel finden müssen, die oder der das Forschungsprojekt betreut.

Nach verschiedenen Praktika im Bachelor- und Masterstudium wusste ich, dass ich meine Masterarbeit im Bereich der Malariaforschung durchführen möchte. Ich suchte daher online ganz spezifisch nach Forschungsgruppen in diesem Bereich. Fünfzehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA, UK und Australien schrieb ich an, worauf einige Vorstellungsgespräche folgten. Als ich dann von Professor Manoj Duraisingh an der Harvard University (Massachusetts, USA) – meiner ersten Wahl – eine Zusage bekam, war ich überglücklich. Ich fragte Professor Till Voss vom Schweizerischen Tropeninstitut an der Universität Basel, ob er bereit wäre, die Arbeit zu betreuen. Und um den Aufenthalt in Boston zu finanzieren, bewarb ich mich für mehr als dreissig Schweizer Stipendien. Ich erhielt fünf Zusagen – darunter auch eine vom Swiss Nanoscience Institute für den Argovia Travel Grant.

Anspruchsvolle Aufgabe
Die Ankunft in den USA war sehr aufregend und das Einleben sehr einfach, da die Harvard University einen gut strukturierten und organisierten Einschreibungsprozess für internationale Studierende etabliert hat. Im Labor wurde ich herzlich begrüsst und konnte schnell mit meinem Projekt beginnen. Meine Arbeit bestand darin, ein System für die Proteinexpression von Impfstoffkandidaten des Malariaerregers Plasmodium vivax zu entwickeln.

Der parasitäre eukaryotische Einzeller Plasmodium vivax kann bisher nicht in vitro kultiviert werden und die meisten seiner Proteine lassen sich nicht von anderen Organismen durch die Übertragung der Gene produzieren. Dies macht es sehr schwierig, Impfstoffe gegen diesen Parasiten zu entwickeln – eines der entscheidenden Ziele beim globalen Kampf gegen Malaria.

Mein Ziel war es daher, ein neuartiges Expressionssystem zu entwerfen, mit dem Gene, welche die Information für spezifische Plasmodium vivax-Proteine enthalten, in genetisch ähnlichen jedoch kultivierbaren Malariaparasiten übertragen werden. Diese Erreger produzieren dann die gewünschten Proteine, welche sich anschliessend auf Funktion, Bindungspartner und Struktur untersuchen lassen und als Grundlage für die Entwicklung eines Impfstoffs dienen. Ausserdem lassen sich durch die so produzierten Proteine therapeutisch einsetzbare Antikörper als auch Nanobodies herstellen.

Für mich war die Arbeit in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung. Zum einen war ich es nicht gewohnt, so viel intellektuelle Freiheit bei der Lösung eines konkreten Problems zu haben. Zum anderen hatte ich die alleinige Verantwortung für das Ergebnis. Ich habe mehrere Fehlschläge erlebt und musste das Projekt mehrfach anpassen. Am Ende habe ich dadurch aber sehr viel gelernt und eine Menge neuer Fähigkeiten erworben.

Der Aufenthalt in Harvard war für mich ein tolles Sprungbrett in die Forschungswelt. Seit November habe ich eine Anstellung am Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research in Melbourne (Australien) – auch wieder im Bereich der Malariaforschung. Vielleicht kehre ich dann im nächsten Sommer für meine Doktorarbeit nach Boston zurück, da ich durchweg positive Erinnerungen an dieses Auslandsjahr habe.

Kulturelle Unterschiede erlebt
Durch die langen Tage, Nächte und Wochenenden im Labor habe ich auch erlebt, wie unterschiedlich die amerikanische und die schweizerische Arbeitskultur sind, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit geht. Ein weiterer kultureller Unterschied ist das Engagement meiner Kolleginnen und Kollegen auch ausserhalb der Forschung. Die meisten Studierenden in meinem Umfeld engagierten sich gleich in mehreren Sozial- und Sportvereinen.

Auch ich engagierte mich ausserhalb des Labors. Zum einen trat ich dem Führungsteam von Nucleate Boston bei – einer Studierenden-Organisation, die Firmengründungen im Bereich der Life-Sciences unterstützt. Ich konnte dadurch enorm viel über Gründungsprozesse und unternehmerisches Denken lernen und mir zudem ein grosses globales Netzwerk aufbauen, da Nucleate mittlerweile an über 18 Standorten in den USA und Europa vertreten ist.

Erst gelacht und dann geschwitzt
Zum anderen wurde ich Mitglied des offiziellen Harvard-Quidditch-Teams. Ja, genau, Quidditch – das Spiel aus den Harry Potter Büchern. Die Spielerinnen und Spieler versuchen dabei einen Ball in Reifen zu werfen oder den «Schnatz» zu fangen – und das alles auf einem Besen reitend und mit Körperkontakt wie beim Rugby.

Als ich davon hörte, habe ich erst mal gelacht, es dann aber doch ausprobiert, weil ich eine für mich neue Sportart ausprobieren wollte. Es wurde dann ein ganz schön intensiver Einsatz mit dreimal Training pro Woche. Das anschliessende gemeinsame Frühstück oder Abendessen war aber eine gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, in Form zu bleiben und sich gesund zu ernähren. Zudem konnten wir als Team regionale und nationale Erfolge feiern.

Wertvolle Erfahrung
Es ist unmöglich, ein ganzes Jahr voller Erfahrungen und Erkenntnisse auf 1–2 Seiten zusammenzufassen. Was mir jedoch am meisten in Erinnerung geblieben ist, sind die vielen talentierten Menschen, die ich kennengelernt habe, und wie dieses Jahr meine persönliche Entwicklung gefördert hat. Deshalb würde ich allen Studierenden raten, das Gleiche zu tun und auch einige Zeit im Ausland zu verbringen. Vielleicht ist es anfangs mit Zusatzarbeit verbunden, aber es lohnt sich auf jeden Fall!

Weitere Informationen:

Arbeitsgruppe Duraisingh
Nucleate Boston
Harvard Quidditch Team
Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research in Melbourne
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