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Im Team einzelnen Zellen auf der Spur
Forscher im Nano-Argovia-Programm entwickeln System zur Analyse von Einzelzellen
Im Argovia-Projekt SCeNA (Single Cell NanoAnalytics = Einzelzellen-Nanoanalytik) hat ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam unter Leitung von Dr. Thomas Braun (C-CINA, Biozentrum, Universität Basel) ein System entwickelt, mit dem verschiedene Parameter einzelner Zellen analysiert werden können. Die Forschenden fokussieren sich auf die Untersuchung einzelner Zellen, da es zwischen den Zellen eines Gewebes oder einer Zellkultur grosse Unterschiede geben kann. Wird wie bei einer Standardanalyse eine Mischung aus tausenden Zellen untersucht, erhalten die Forscher nur Mittelwerte und keine Information über individuelle Unterschiede. Und auch Interaktionen zwischen den Zellen lassen sich an den Messergebnissen nicht ablesen. Werden jedoch Einzelzellen untersucht, ergibt sich ein klares Bild, das ganz andere statistische Analysen und Schlussfolgerungen über verschiedene Populationen in der Kultur zulässt.
Mittelwerte nicht immer aussagekräftig
Die einzelnen Zellen eines Gewebes oder einer im Labor gezüchteten Zellkultur unterscheiden sich voneinander. Es gibt beispielsweise Abweichungen bezüglich der gebildeten Proteine und auch der Gehalt an niedermolekularen Verbindungen kann zwischen den einzelnen Zellen stark variieren. Werden nun alle Zellen einer Zellkultur gemeinsam aufgearbeitet und untersucht, verschwinden diese individuellen Unterschiede und die Forschenden bekommen einzig einen Überblick über Mittelwerte.
Um zu verstehen, wie sich Krankheiten entwickeln, ausbreiten und auch behandelt werden können, ist es jedoch wichtig zu wissen, wie sich die individuellen Zellen verhalten und welche Stoffwechselvorgänge sich in ihnen abspielen. Auch Wechselwirkungen zwischen den Zellen sind ein wichtiger Aspekt, um beispielsweise besser zu verstehen, wie sich neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer ausbreiten.
Das Wissenschaftlerteam im Projekt SCeNA hat sich daher zum Ziel gesetzt, ein System aufzubauen, mit dem automatisiert verschiedene Messgrössen einzelner Zellen analysiert werden können. Um bei einer konkreten Fragestellung aussagekräftige Antworten zu erhalten, ist es erforderlich eine grössere Zahl von Zellen anzuschauen. Daher ist eine effektive Probenvorbereitung sowie ein reibungsloser Transfer zu den verschiedenen Analysegeräten wichtig.
Kompaktes System zur Selektion und Aufarbeitung von Einzelzellen
Stefan Arnold, seit 2013 Doktorand der SNI-Doktorandenschule, hat im Rahmen seiner Doktorarbeit die Grundlage für diesen Ansatz geschaffen. Er kann mit dem von ihm entwickelten, kompakten System Zellen einer Zellkultur wachsen lassen, diese im Lichtmikroskop an-schauen und ganz gezielt einzelne Zellen auswählen. Über ein elektrisches Feld macht er anschliessend die Zellmembran durchlässig und saugt sekundenschnell den gesamten Zellinhalt von wenigen Nanolitern in eine Mikrokapillare. Je nach geplanter Analyse wird dieses Lysat dann auf bestimmte Objektträger aufgebracht.
«Anders als bei der Aufarbeitung einer ganzen Zellkultur bekommen wir mit unserem Ansatz einen genauen Überblick über den Inhalt einzelner Zellen. Zudem sind unsere Zellen einem geringeren Stress ausgesetzt, da sie Sekunden vor der Aufarbeitung noch in ihrem Zellverbund leben und miteinander agieren», erläutert Stefan Arnold. Im Anschluss an die Probenvorbereitung folgt beispielsweise eine elektronen- oder rasterkraftmikroskopische Untersuchung, wobei die in der Zelle enthaltenen Proteine sichtbar gemacht und identifiziert werden können. Eine Markierung ist für diese Analyse nicht notwendig, jedoch müssen die Proben entsalzt und teilweise mit Schwermetallsalzen behandelt werden, um den Kontrast zu verstärken.
Viskosität gibt Rückschluss auf Bindung von RNA
Interessant für die Forscher sind nicht nur die bereits in der Probe enthaltenen Proteine, sondern auch die Nukleinsäuren (RNA), die an der Herstellung von Proteinen beteiligt sind. Hierzu messen die Wissenschaftler zunächst die Viskosität der Probe in einem in-house entwickelten Hochdurchsatz-Mikrofluidsystem. Ihr Plan sieht vor, der Probe anschliessend RNA-Sequenzen zuzufügen, die zu den nachzuweisenden RNA-Stücken komplementär sind. Kommt es zur Bindung und damit zur Bildung von Doppelsträngen, ändert sich die Viskosität der Probe, die sich selbst bei den geringen Probevolumina präzise messen lässt.
Weitere Analysen durch die Partner
Bei weiteren Analysen kommen die Projektpartner ins Spiel. So hat Dr. Gregor Dernick vom Roche pRED Innovation Center Basel untersucht, wie sich Antikörper zum Nachweis ganz bestimmter Proteine in den Zellen einsetzen lassen. Das System wurde so angepasst, dass für die Analyse innerhalb von 90 Minuten 192 Einzelzellen ausgewählt, lysiert und auf einem einzigen beschichteten Objektträger platziert werden konnten.
«Anhand von Hitzeschock-Proteinen haben wir gezeigt, dass der Nachweis bestimmter Proteine mithilfe von Antikörpern in kurzer Zeit zuverlässig durchgeführt werden kann», berichtet Gregor Dernick. Die Partner der Hochschule für Life Sciences der FHNW in Muttenz ergänzen mit massenspektrometrischen Analysen das Spektrum der Untersuchungen noch weiter. Problematisch für Professor Dr. Götz Schlotterbeck und Dr. Christian Berchtold ist dabei, die notwendige Empfindlichkeit zu erreichen, um verschiedene niedermolekulare Verbindungen in den Einzelzellen nachzuweisen. Wenn sie ganz gezielt nach bestimmten Sub-stanzen suchen, gelingt ihnen dies bisher in einem Lysatgemisch aus etwa zehn Zellen. Eine weitere Optimierung der Empfindlichkeit des Systems ist also noch erforderlich, um wirklich Information über die niedermolekularen Metabolite in einer Einzelzelle zu erhalten.
Erfolgreicher Abschluss
«Wir konnten ein gut funktionierendes Auswahl-, Vorbereitungs- und Hand-over-System für die verschiedensten Analysen von Einzelzellen entwickeln. In weiten Teilen läuft dieses System automatisiert, so dass eine Vielzahl von Einzelzellen aus einem Zellverbund in kurzer Zeit bearbeitet werden kann», fasst Projektleiter Thomas Braun die Ergebnisse des Argovia-Projektes SCeNa zusammen. In seiner Forschungsgruppe werden verschiedene Aspekte dieser Einzelzellenanalytik noch weiter optimiert, sodass wir in den kommenden Jahren weitere Verbesserungen erwarten dürfen und später sicher auch mit Anwendungen für ganz konkrete Fragestellungen rechnen können.