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In Gemeinschaft weniger empfindlich - Timon Baltisberger gewinnt den Masterpreis mit Untersuchungen an Biofilmen

Timon Baltisberger wird mit dem Preis für die beste Masterarbeit in Nanowissenschaften an der Universität Basel im Jahr 2022 ausgezeichnet. Er hat in der prämierten Arbeit belegt, dass Vibrio cholerae Bakterien im Inneren eines Biofilms toleranter gegenüber verschiedenen Antibiotika sind als Kulturen, die schüttelnd in Flüssigmedium wachsen. Die Ergebnisse tragen dazu bei, Biofilme, die in der Natur eine grosse Rolle spielen und zu hartnäckigen Infektionen beim Menschen führen können, besser zu verstehen.

Bakterien kommen in der Natur meist nicht als einzelne Organismen vor. Stattdessen leben sie oft in Lebensgemeinschaften umgeben von einer extrazellulären Matrix. Sie können so Stoffwechselprodukte austauschen und sind besser vor Umwelteinflüssen geschützt.

Was für die Bakterien von Vorteil ist, erweist sich bei ihrer Bekämpfung als Problem. Ist beispielsweise ein Implantat von einem Biofilm besiedelt, lassen sich die Bakterien nur schwer in den Griff bekommen. Sie sind in der Gemeinschaft weniger empfindlich gegenüber verschiedenen Antibiotika. Noch ist nicht vollständig geklärt, ob es ruhende Zellen im Inneren des Biofilms sind, die aufgrund eingeschränkter Stoffwechseltätigkeit toleranter gegenüber Antibiotika sind, ob die Diffusion der Antibiotika eingeschränkt ist oder eine komplexe Kommunikation der Bakterien im Biofilm untereinander für diese erhöhte Toleranz verantwortlich ist.

Vergleich der planktonischen Form mit dem Biofilm
Timon Baltisberger hat in seiner Masterarbeit in der Gruppe von Professor Dr. Knut Drescher am Biozentrum der Universität Basel die Antibiotikatoleranz des Modellbakteriums Vibrio cholerae genauer untersucht. Dabei hat er planktonische Bakterien in einer geschüttelten Flüssigkultur mit denen in einem Biofilm verglichen.

Für die Analysen der planktonischen Bakterien hat er diese zunächst in Multi-Well-Platten schüttelnd kultiviert und deren Vermehrung aufgrund der sich verändernden optischen Dichte verfolgt. «Ich habe dann mit sieben verschiedenen Antibiotika untersucht, wie schnell die Bakterien getötet werden», berichtet Timon. Um die Daten statistisch zu bestätigen, sind für diese Untersuchungen zahlreiche Parallelkulturen und Verdünnungsreihen notwendig. Timon hat daher für die Pipettierarbeiten einen Roboter verwendet, den er im Rahmen seiner Arbeit auch selbst programmiert hat.

Als Ergebnis der Untersuchungen mit planktonischen Bakterien stellte Timon fest, dass bei sechs der sieben getesteten Antibiotika mehr als 99 Prozent der Bakterien sechs Stunden nach der Gabe des Antibiotikums abgestorben waren – vorausgesetzt die Dosierung lag über der Mindestmenge.

Biofilme in Mikrofluidkanälen
Bei den Biofilmen sah die Sache allerdings deutlich anders aus. Hier überlebten Bakterien im Inneren des Biofilms vergleichbare Antiobiotika-Mengen über einen längeren Zeitraum.

Für diese Untersuchungen hat Timon die Vibrio-Bakterien in Mikrofluid-Kanälen kultiviert. Zehn dieser Kanäle sind dabei auf einem Chip angeordnet und mit Pumpen verbunden, welche kontinuierlich Kulturmedium durch die Mikrokanäle leiten. Über das Pumpsystem lassen sich dann auch Antibiotikalösungen applizieren.

«Um deren Wirkung zu verfolgen, haben wir das System unter einem konfokalen Mikroskop platziert und zunächst das Signal von einem rot fluoreszierenden Protein gemessen, welches die Zellen konstant produzieren. Nach Zugabe der Antibiotika haben wir die Produktion eines anderen, grün fluoreszierenden Proteins in den Vibrionen induziert, wodurch nur die noch lebende Zellen markiert wurden,» beschreibt Timon die Arbeiten mit Biofilm-Bakterien, die er in Zusammenarbeit mit Doktorierenden aus dem Drescher-Labor durchgeführt hat. «Wir konnten mit dieser Methode sehr elegant beobachten, ob und wo in dem Biofilm Bakterien eine gewisse Toleranz gegenüber den untersuchten Antibiotika besitzen.»

 

«Timon hat in seiner Masterarbeit den Grundstein dafür gelegt wie wir die Wirksamkeit von Antibiotika in bakteriellen Gemeinschaften untersuchen können."

Prof. Dr. Knut Drescher, Biozentrum, Universität Basel

 

Höhere Toleranz
Die Ergebnisse bestätigten die Hypothese, dass sich im Zentrum des Biofilms unempfindlichere Subpopulationen des Bakteriums befinden, welche die Antibiotikagabe länger überleben. Theoretisch können diese Vibrionen dann auch tote Regionen neu besiedeln, wenn die Antibiotikagabe beendet ist.

«Dabei handelt es sich nicht um Resistenzen, sondern um eine erhöhte Toleranz im Zentrum des Biofilms – und das galt für alle untersuchten Antibiotika,» fasst Timon die Ergebnisse zusammen. «Um die zugrunde liegenden Mechanismen aufzuklären und geeignete Massnahmen zur Bekämpfung von Biofilmen zu entwickeln, sind weiterführende Untersuchungen notwendig.»

Ursprünglich andere Pläne
Timon hat die Arbeit in der Gruppe von Knut Drescher sehr gut gefallen. Dabei waren es die verschiedenen Methoden, aber auch die Aktualität des Themas, was ihn fasziniert hat.

Zu Beginn seines Studiums hätte er allerdings nicht gedacht, dass er seine Masterarbeit in einem Biophysik-Labor am Biozentrum absolvieren würde. Denn in seiner Schulzeit an der Kantonsschule in Zofingen interessierte ihn vor allem Chemie. «Ich hatte sogar mal vor, Chemie zu studieren», erinnert er sich.

Als er dann aber vom Nanowissenschafts-Studium an der Universität Basel hörte, entschied er sich nach einigen Gesprächen beim Bachelor-Infotag für diesen interdisziplinären Studiengang. «Ich fand vor allem gut, dass der Studiengang Nanowissenschaften so breit aufgestellt ist und ich mich nicht sofort auf ein Fach festlegen musste», erzählt Timon.

Bereut hat es der junge Aargauer nicht: «Es war auf jeden Fall die absolut richtige Entscheidung für Nano nach Basel zu kommen.» An seiner Fächerwahl im Studium ist deutlich zu sehen, dass er ein sehr breites Interesse an den Naturwissenschaften besitzt. Schon bei den Blockkursen im Bachelorstudium realisierte er, dass neben der Chemie auch Biologie und Physik sehr spannend sind. Und so absolvierte er im Masterstudium seine Projektarbeiten über ein physikalisches und ein biologisches Thema in den Teams der Professoren Dr. Stefan Willitsch und Dr. Daniel Müller. Für die Masterarbeit entschied er sich dann für das Projekt in der Gruppe von Professor Dr. Knut Drescher.

«Für die nächsten vier Jahre werde ich mich jetzt aber wieder der Quantenphysik widmen», beschreibt Timon seine nähere Zukunft. Er hat im Mai 2023 eine Doktorandenstelle am Departement Physik in der Gruppe von Professor Dr. Richard Warburton begonnen und wird dort eine Einzelphotonenquelle optimieren und versuchen diese als Quelle für verschränkte Teilchen einzusetzen. Und wie bei seinen verschiedenen Projekten vorher, ist er begeistert von dem Thema und blickt zuversichtlich auf die kommenden Herausforderungen.

Wir gratulieren Timon ganz herzlich zum Masterpreis und danken ihm für die Hilfe und Unterstützung bei zahlreichen SNI-Outreach-Aktivitäten in den letzten Jahren.