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Bei der Selbstorganisation auf einer Silberoberfläche liegt das untersuchte Porphyrin-Derivat in drei verschiedenen Formen vor (dargestellt durch die drei Moleküle unten links). Wenn sich das komplexe Kagome-Netzwerk bildet, sind die in der Abbildung orange und gelb eingefärbten Konformationen involviert. Je nachdem wie sie aneinander binden, unterscheiden sich die Wasserstoffbrückenbindungen (wie in der Vergrösserung zwischen zwei silberfarbenen Wasserstoff-Atomen sichtbar). Bei den isoliert vorliegenden Molekülen (pink) sind die Seitengruppen der Moleküle anders konfiguriert.
Forschende aus dem SNI-Netzwerk haben gezeigt, dass aus Kopien eines einzelnen Molekülbausteins spontan eine komplexe supramolekulare Struktur auf Oberflächen entstehen kann. In dem Wissenschaftsjournal Communications Chemistry beschreiben die Forschenden, dass sich das untersuchte Porphyrin-Derivat einzeln, in kurzen Ketten oder als komplexes Kagome-Netzwerk auf einer Silber-Oberfläche anordnet. In jeder dieser drei Rollen nimmt das Molekül eine andere Gestalt an. Die Ergebnisse sind ein Beispiel, wie und unter welchen Voraussetzungen selbstorganisierte Molekülstrukturen an Grenzflächen komplexe Strukturen aus wenigen Komponenten bilden können. Auch in der Uratmosphäre könnten noch vor der Entstehung des Lebens derartig flexible Strukturen zur Entstehung und Entwicklung der Chemie der Lebensprozesse beigetragen haben.
Eines der faszinierendsten Phänomene in der Nanowelt ist die Selbstorganisation von Molekülen auf Oberflächen. Ohne Eingriffe von aussen ordnen sich verschiedene Moleküle aufgrund unterschiedlicher Wechselwirkungen zu bestimmten Mustern und Strukturen an. Professor Dr. Thomas Jung, der am Departement Physik der Universität Basel und am Paul Scherrer Institut forscht, untersucht zusammen mit seinem Team bereits seit vielen Jahren die Grundlagen dieser supramolekularen Chemie an Grenzflächen.
Diversität der Formen
Mithilfe der Rastertunnelmikroskopie haben nun Dr. Fatemeh Mousavi und Dr. Aisha Ahsan aus dem Team von Thomas Jung (Universität Basel, Department Physik) die Selbstorganisation eines flexiblen Porphyrin-Derivats (5,10,15,20-Tetrakis(3,4,5-trimethoxyphenyl)porphyrin, TTMPP) untersucht. Das Team hat diese Moleküle zusammen mit Dr. Jonathan Hill «am Reissbrett» entworfen und von ihm am National Institute of Materials Science in Tsukuba (Japan) synthetisiert. Auf einer Silberoberfläche aufgebracht wiesen die Forschenden dann drei verschiedene nebeneinander existierende Gestalten (Konformationen) dieser Moleküle nach: Isoliert als einzelnes Molekül, in kurzen Ketten und in Form eines komplexen Kagome-Netzwerks, bei dem sich aus den Molekülen gebildete Dreiecke mit Sechsecken abwechseln.
Dabei ist es ein Zusammenspiel einer grösseren Zahl von verschiedenen Wechselwirkungen, die zu der komplexen Kagome-Struktur führen. Die Bindung der Moleküle untereinander geschieht über die recht schwachen Wasserstoff-Brückenbindungen, die in ihrer Gesamtheit dann aber stark genug sind um Konformationsänderungen der Moleküle herbeizuführen. Daneben spielen auch Wechselwirkungen zwischen dem Molekül und der Oberfläche eine Rolle.
«Wir waren überrascht, dass wir mithilfe eines einzigen, relativ einfachen Moleküls so komplexe Netzwerkstrukturen erzielen konnten. Dies lässt sich durch die Flexibilität des Moleküls erklären. Je nachdem, ob und wie Bindungspartner in der Umgebung verfügbar sind, ändert es seine Form», bemerken die beiden Physikerinnen Fatemeh Mousavi und Aisha Ahsan.
Auch auf Gold organisiert sich TTMPP zu komplexen Mustern, was bestätigt, dass die Eigenschaften des Moleküls für die Ausbildung des Musters an den Grenzflächen verantwortlich sind.
«Flexible Moleküle und deren Anpassungsfähigkeit an die Umgebung sind auch für das Verständnis der sogenannten präbiotischen Selbstorganisation an Grenzflächen wichtig», erläutert Thomas Jung. «Ähnliche Prozesse könnten bei der Entstehung des Lebens aus selbstreplizierenden Strukturen an Grenzflächen eine Rolle gespielt haben.
Originalpublikation:
Emergence of conformational diversity and complexity of supramolecular structure by the interaction of a simple molecule with a uniform surface
S. Fatemeh Mousavi, Aisha Ahsan, Aaron Oechsle, Narmadha Devi, Yoshitaka Matsushita, Luiza Buimaga-Iarinca, Cristian Morari, Waka Nakanishi, Katsuhiko Ariga, Yutaka Wakayama, Yusuke Yamauchi, Thomas A. Jung & Jonathan P. Hill
Communications Chemistry Vol 8, Article number: 214 (2025), doi: https://doi.org/10.1038/s42004-025-01607-x
Weitere Informationen:
Forschungsgruppe Prof. Dr. Thomas Jung, Departement Physik, Universität Basel