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Marcel Mayor, Professor für Chemie an der Universität Basel
Marcel Mayor ist mit Leib und Seele Chemiker. Er ist fasziniert von chemischen Verbindungen, besonders von bisher nicht existierenden, und begeistert sich für ungewöhnliche Strukturen, deren Synthese viele Jahre dauern kann. Mit einer Vielfalt chemischer Stoffe grosse Komplexität zu erreichen und Neues zu entdecken – das ist sein Ziel. Dabei ist seine Arbeit auch stark durch die Zusammenarbeit mit Physikerinnen und Physikern geprägt. Diese treten an ihn heran, weil sie massgeschneiderte Moleküle mit bestimmten chemischen und physikalischen Eigenschaften benötigen. Neben der wissenschaftlichen Forschung engagiert sich Marcel Mayor im Forschungsmanagement, um die Forschungsgemeinschaft zu unterstützen und auf diese Weise auch eine gute Ausbildung junger Naturwissenschaftler sicherzustellen.
Karrierestart in Frankreich
Im Anschluss an das Studium begann Mayor seine Doktorarbeit bei Professor Scheffold in Bern. Die Arbeit über Vitamin B12 Derivate verlief gut, jedoch verstarb sein Doktorvater kurz vor der Verteidigung. Mit Unterstützung der Universität Bern in dieser besonderen Ausnahmesituation konnte Mayor aber seine Doktorarbeit ohne Probleme 1995 abschliessen. Ausgestattet mit einem Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds ging er als Post-Doc zu Professor Jean-Marie Lehn an die Louis Pasteur Universität in Strasbourg und beschäftigte sich dort mit organischen Synthesen in Kombination mit Elektrochemie. Nach Auslaufen des Stipendiums arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter weiter im gleichen Labor und forschte an molekularen Drähten. Nach eigenen Aussagen profitierte Mayor von der Arbeit mit dem Nobelpreisträger: „Jean-Marie ist immer sehr nahe an der Forschung gewesen, mindestens jede zweite Woche hat man mit ihm über das eigene Projekt sprechen können.“ Basierend auf der erfolgreichen Arbeit in der Lehn-Gruppe erhielt Mayor 1997 eine Anstellung am College de France in Paris und Strasbourg.
Aufbau des Instituts für Nanotechnologie
1998 war für Mayor dann die Zeit gekommen sich nach Alternativen und neuen Möglichkeiten umzusehen. Noch mehr als eine Anstellung in der Industrie reizte es ihn den Aufbau des neu gegründeten Instituts für Nanotechnologie am Forschungszentrum in Karlsruhe (KIT) mitzugestalten. „Das war ein schöne Zeit“, erinnert sich Mayor. „Es war ein bisschen wie Big Brother für Wissenschaftler. Physiker, Chemiker und Materialwissenschaftler wurden in Containern zusammengesteckt. Wir wurden finanziell sehr gut unterstützt, alle Disziplinen waren aber in unterkritischen Menge vertreten – so dass wir einfach zusammenarbeiten mussten.“ Diese Kollaborationen begannen zu fruchten und führten zu weltweit beachteten Publikationen und Preisen.
Nach erfolgreicher Habilitation an der Universität Louis Pasteur in Strassburg hatte Mayor 2005 verschiedene Optionen zur Wahl. Auch Professor Hans-Joachim Güntherodt war auf den jungen Chemiker aufmerksam geworden und wollte ihn an die Universität Basel holen. Für Mayor war Basel aufgrund der hervorragenden Forschungsqualität, der freundschaftlichen Atmosphäre im Kollegium sowie der lokalen Nähe zu Karlsruhe von Beginn an äusserst attraktiv und so entschied er sich zu dem Wechsel in die Schweiz.
An der Universität Basel angekommen
Seit 2005 forscht Mayor nun hauptsächlich in Basel. Er unterhält parallel dazu aber nach wie vor eine kleine Forschungsaktivität mit ein paar Mitarbeitern am KIT in Karlsruhe. „Meine Arbeiten befinden sich teilweise an der Schnittstelle zur experimentellen Physik, die in Basel hervorragend ist. Aufgrund der Grösse der Institutionen bietet aber das KIT ein wissenschaftlich wesentlich grösseres und vielfältigeres Umfeld als das in Basel möglich wäre,“ erklärt er den Hintergrund der Doppelposition. Seine Arbeiten in Basel erhielten 2011 noch einmal einen Wachstumsschub, als er im Rahmen seiner Beförderung zum Ordinarius von der Universität Basel grosszügig mit neuen Laboren und Mitteln ausgestattet wurde.
Er geniesst es heute hier seine Ideen verfolgen zu können, die Freiheit zu haben, seine Kreativität auszuleben und Moleküle zu synthetisieren, die es bisher noch nicht gab und deren Strukturen interessante chemische und physikalische Eigenschaften versprechen. Dabei schreckt es ihn und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nicht ab, dass die Synthesen teilweise mehrere Jahre dauern, bevor die erwünschten Verbindungen dann tatsächlich auf den Labortischen stehen. Für Mayor steht dabei eine mögliche Anwendung nicht unbedingt im Vordergrund. „Es ist die Aufgabe der Universitäten Grundlagenwissenschaften zu betreiben und damit dafür zu sorgen, dass wir den jungen Leuten eine umfassende Ausbildung an der Spitze des gegenwärtigen Kenntnisstandes liefern“, bemerkt er.
Diesem Anliegen widmet sich Mayor auch in verschiedenen Funktionen im Forschungsmanagement. So war er von 2011 bis 2012 Forschungsdekan der Universität Basel und engagiert sich seit 2011 als Forschungsrat des Schweizerischen Nationalfonds.
Professur in China
Mayor unterstützt jedoch nicht nur die Ausbildung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Schweiz und in Deutschland, sondern hat auch eine Professur in China an der Sun-Yat-Sen Universität in Guangzhou (ehemals Kanton) inne. Rund zweimal im Jahr reist er für eine Woche an die chinesische Universität, die mit etwa 85’000 Studierenden mehr als sechsmal grösser ist als die Universität Basel. Aktuell absolvieren zwei chinesische Studenten zwei Jahre ihrer Promotion in seinem Basler Labor. Neben der Chemie haben die beiden jungen Chinesen im sympathischen Mayor-Team die Möglichkeit Land und Leute kennenzulernen.
Mit Enthusiasmus und Ausdauer zum Erfolg
Bei all den Aktivitäten, die Mayor unter einen Hut bringt, bleibt ihm nicht immer die nötige Zeit, um so viel Sport zu treiben, wie er es eigentlich gerne möchte. Trotzdem schafft er es doch regelmässig am Inferno-Triathlon in seiner Heimat im Berner Oberland teilzunehmen. Wie im Labor bei der Synthese komplizierter Moleküle zeigt sich auch hier, dass mit Motivation, Ausdauer und dem nötigen Willen zum Erfolg, ein weit entferntes Ziel zu erreichen ist.