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Mit winzigen Mengen zur schnelleren Analyse
Argovia-Projekt MiPIS optimiert Probenvorbereitung für Kryo-Elektronenmikroskopie
Im Jahr 2017 wurde der Nobelpreis für Chemie an die Professoren Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson verliehen. Sie erhielten den renommierten Wissenschaftspreis für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM). Mit dieser Methode ist es heute möglich, komplexe Proteine in atomarer Auflösung dreidimensional in ihrer natürlichen Umgebung abzubilden. Die Kryo-EM hat sich als Standard zur Untersuchung von Proteinen etabliert und die Strukturbiologie und Biochemie revolutioniert. Allerdings sind existierende Methoden der Proteinisolation und -vorbereitung nicht unbedingt auf die Kryo-EM zugeschnitten. Im Argovia-Projekt MiPIS arbeitet daher ein interdisziplinäres Team unter Leitung von Dr. Thomas Braun (C-CINA, Biozentrum) daran, eine ideale, schnelle Mikrofluid-Technik zu entwickeln. Die Wissenschaftler streben dabei an, Proteinproben innerhalb von zwei Stunden zu reinigen, zu stabilisieren und unter Beibehaltung ihrer räumlichen Struktur für die Kryo-EM-Analyse vorzubereiten.
Kryo-EM schon seit Jahren Methode der Wahl
Das Kryo-Elektronenmikroskop (Kryo-EM) steht schon seit vielen Jahren im Zentrum der Forschung von Professor Dr. Henning Stahlberg und Dr. Thomas Braun vom Center for Cellular Imaging and Nano Analytics (C-CINA) des Biozentrums der Universität Basel. Die Wissenschaftler haben sich mit ihren Teams darauf fokussiert, die molekularen Mechanismen der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen zu untersuchen und Membranproteine zu charakterisieren. Für ihre Arbeiten nutzen sie verschiedene bildgebende Verfahren. Vor allem dank des Kryo-EM sind die Forscher heute in der Lage auch von komplexen Proteinen präzise Bilder der dreidimensionalen Anordnung in atomarer Auflösung zu generieren. Diese detailgenauen Bilder sind der erste Schritt, um Krankheiten verstehen zu lernen und potenzielle Ziele für pharmazeutische Wirkstoffe auszumachen.
Anpassungen erforderlich
Die klassischen Methoden zur Aufarbeitung von Proteinen werden den Anforderungen der Kryo-EM jedoch nicht immer gerecht, da sie zeitaufwendig sind, mit vergleichsweise grossen Proteinmengen arbeiten und teilweise die räumliche Anordnung der Proteinkomplexe zerstören. Um die Analyse von Proteinen zu vereinfachen und zu verbessern, entwickeln die Wissenschaftler vom C-CINA daher auch neue Methoden zur Isolation und Aufarbeitung von Proteinen, die anschliessend im Kryo-EM analysiert werden können.
Da für die Bestimmung der dreidimensionalen Struktur von Proteinen nur Kryo-EM Abbildungen von 100’000 bis wenigen Millionen Proteinpartikeln nötig sind, setzen die Wissenschaftler im Argovia-Projekt MiPIS auf Mikrofluid-Systeme und erhoffen sich deutliche Vorteile gegenüber den klassischen Methoden. Am C-CINA wurde im Rahmen von anderen SNI-Projekten bereits ein Mikrofluid-System entwickelt. Dieses System benötigt nur wenige Nanoliter Probenmaterial, das voll automatisiert direkt auf einen für die Elektronenmikroskopie verwendeten Objektträger platziert wird. Innerhalb des Argovia-Projektes MiPIS sollte dieses System nun weiterentwickelt werden, sodass Proteine in dem System innerhalb von zwei Stunden gereinigt, stabilisiert und unter Beibehaltung der räumlichen Struktur für die Kryo-EM-Analyse vorbereitet werden können. Neben Projektleiter Dr. Thomas Braun beteiligen sich an den Arbeiten Dr. Mohamed Chami vom BioEM Lab (C-CINA), Professor Dr. Marianne Hürzeler (Hochschule für Life Sciences der Fachhochschule Nordwestschweiz) sowie Professor Dr. Michael Hennig und Dr. Mathieu Botte von dem Start-up leadXpro (Villigen, AG).
Mit Magneten festgehalten
«Es ist uns gelungen, unsere bestehende Plattform so zu erweitern, dass wir nun eine schnelle und zuverlässige Methode zur Verfügung haben», berichtet Thomas Braun. Um Proteine aus einem rohen Zelllysat zu isolieren, werden dabei zunächst super-paramagnetische Partikel mit Antikörpern funktionalisiert, die an das zu untersuchende Protein binden. Diese Partikel werden mit dem Zelllysat vermischt. Die Proteine binden an die Antikörper und sind dadurch mit den winzigen magnetischen Partikeln verbunden. In einer Mikrokapillare können die Proteine dann mithilfe eines Magneten immobilisiert, von anderen Komponenten des Zelllysats getrennt und gewaschen werden. Anschliessend werden die Proteine durch UV-Licht wieder von den paramagnetischen Partikeln und den daran gebundenen Antikörpern getrennt und direkt mit der Mikrokapillare auf den Objektträger «geschrieben».
Ein spezieller Objektträger für die Elektronenmikroskopie wird nun mit einem perforierten Kohlenstofffilm bedeckt und auf einer Plattform platziert, deren Temperatur nahe des Taupunktes gehalten wird. Die Mikrokapillare, mit welcher die Proteinprobe gereinigt wurde, wird über dem Objektträger platziert. Ein paar Nanoliter der Suspension werden auf dem Objektträger aufgebracht und die Plattform leicht bewegt, damit sich die Probe gleichmässig verteilt. Während die Mikrokapillare vom Objektträger entfernt wird, verbleibt die Probe für kurze Zeit auf der temperierten Plattform und wird durch Verdunstungsvorgänge kontrolliert konzentriert. Die Wissenschaftler tauchen den Objektträger mit samt der aufgetragenen Probe dann blitzschnell in flüssiges Ethan. Durch das schnelle Gefrieren erstarrt das in der Probe vorhandene Wasser zu amorphem Eis, hat also glasähnliche Eigenschaften. Kristalle, welche die Proteinstruktur zerstören würden, werden dabei nicht gebildet. Der Schweizer Professor Dr. Jacques Dubochet hat diesen Vitrifizierung genannten Schritt der Kryo-Elektronenmikroskopie entwickelt und für diese bahnbrechende Neuerung den Nobelpreis verliehen bekommen.
Die gesamte Aufarbeitung der Proben erfolgt automatisch und benötigt nur etwa 3 bis 15 Nanoliter Flüssigkeit, wohingegen konventionelle Methoden mit 3 bis 5 Mikroliter Probenvolumen arbeiten. Mit den konventionellen Methoden benötigen die Wissenschaftler im Allgemeinen mehrere Tage bis sie aus dem Zelllysat Proteine gereinigt und für die Kryo-EM-Analyse vorbereitet haben. Das Team im Nano-Argovia-Projekt MiPIS erledigt dies mit dem neuen Mikrofluidsystem nun bereits in etwa zwei Stunden.
«Wir haben es geschafft, eine Methode zu entwickeln, die fast verlustfrei arbeitet», berichtet Thomas Braun. "Während bei klassischen Präparationsmethoden weitaus größere Mengen an Proteinen benötigt werden und ein Grossteil der Probe verloren geht, benötigen wir nur kleine Probenmengen. Außerdem werden die Proteine nur sehr kurz der Luft ausgesetzt, was eine Schädigung durch Trocknung verhindert."