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Neues Ehrenmitglied Christian Schönenberger: Immer auf der Suche nach Antworten
Professor Christian Schönenberger wurde im September 2022 für sein ausserordentliches Engagement als SNI-Direktor mit der SNI-Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet. Viele von uns wissen, was das SNI ihm zu verdanken hat, welche Aspekte ihm am SNI wichtig waren und wo seine wissenschaftlichen Interessen liegen. Beim Interview erzählt er jetzt auch ein paar Details über seine Karriere, die sicher manchem von uns nicht bekannt waren.
Sechzehn Jahr lange war Professor Christian Schönenberger Direktor des SNI. Zusammen mit verschiedenen Kolleginnen und Kollegen aus der Physik, Chemie und Biologie hat er das SNI aufgebaut und zu dem gemacht, was es heute ist – ein anerkanntes Exzellenzzentrum für Nanowissenschaften und Nanotechnologie. Am Anfang seiner beruflichen Laufbahn hat er sich diesen und andere seiner Erfolge jedoch sicher noch nicht vorstellen können.
Mehrere Stationen der Ausbildung
Als er 1972 die Sekundarschule verliess, standen Matura und Studium nämlich gar nicht auf seinem Plan. Stattdessen entschied er sich für eine Lehre als Elektroniker. Vier Jahre lang lernte er in einer kleinen Firma und entwickelte automatische Foto-Entwicklungsmaschinen. Aber schon damals wollte er möglichst alle Zusammenhänge verstehen und Antworten auf zahlreiche Fragen bekommen. Um weiter zu lernen begann er daraufhin 1976 eine dreijährige Ausbildung als Elektronik-Ingenieur am Technikum in Winterthur.
Anschliessend trat er eine Stelle als Technischer Assistent an der ETH Zürich an. Er arbeitete in der molekularen Spektroskopie am Bau eines UV-Lasers für die Anregung von Molekülen und hatte so zum ersten Mal Kontakt mit der Quantenphysik. «Ich habe dabei vor allem mit zwei Doktoranden zusammengearbeitet und gemerkt, dass ich auch gerne tiefer in die Materie einsteigen wollte», erinnert sich Christian. Er entschied sich daher noch einmal von vorne zu beginnen und an der ETH Zürich Physik zu studieren. «Das war allerdings gar nicht so einfach, da ich ja keine Matura hatte», erzählt er. So musste Christian deutsche Literatur büffeln, um neben einer Englischprüfung auch eine schriftliche und mündliche Prüfung in Deutsch zu überstehen, bevor es losgehen konnte.
Spannendes Studium und Karrierestart bei IBM
Das Studium gefiel Christian sehr gut. Aber auch nach dem Diplom war sein Bedürfnis tiefer in ein Themengebiet einzutauchen nicht komplett erfüllt und er suchte ein Thema für eine Doktorarbeit. Ihn zog es dazu ins IBM Forschungslabor – zum einen, da es im Labor von Professor Heinrich Rohrer spannende Projekte gab, zum anderen, da Industrieerfahrung bei der späteren Jobsuche förderlich ist und daher etwas mehr Sicherheit gibt. Das war Christian wichtig, da er inzwischen zum ersten Mal Vater geworden war.
In seiner Doktorarbeit baute Christian ein magnetisches Rasterkraftmikroskop. Er teilte sein Labor und auch zahlreiche Erfahrungen und Experimente mit Christoph Gerber, mit dem er dann Jahre später in Basel auch wieder eng zusammenarbeitete. Nach der Promotion wechselte Christian 1990 zu Philips Research nach Eindhoven (Niederlande), das damals eines der renommiertesten Industrieforschungslabore war. Thematisch fokussierte er sich auf Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskopie und auf Sensoren, mit denen magnetische Information in Speichermedien ausgelesen werden können.
«Es war eine tolle Zeit bei Philips» erinnert sich Christian. «Dann drohten aber Restrukturierungen und einige sehr gute und ambitionierte Kollegen kündigten, um eine Professur anzutreten.» Auch Christian orientierte sich neu, stellte beim Nationalfond einen Antrag für eine Assistenzprofessur und bekam diese auch bewilligt. Er hatte vor, in das Team von Professor Hans-Joachim Güntherodt an die Universität Basel zu wechseln, da dessen Gruppe sich inzwischen als die Nummer 1 in der Rastersondenmikroskopie entwickelt hatte. Bevor Christian als Assistenzprofessor starten konnte, empfahl ihm jedoch Hans-Joachim Güntherodt sich gleich auf die neu ausgeschriebene Professur für kondensierte Materie zu bewerben – die Christian Schönenberger dann bekam und 1995 antrat.
Erfolgreicher Wechsel des Forschungsgebiets
Hans-Joachim Güntherodt hatte wohl erwartet, einen Kollegen in der Rastersondenmikroskopie zu bekommen. Christian überlegte sich allerdings bei seinem Start in Basel, dass er lieber etwas ganz Neues starten wollte. Das Ziel sollten keine neuen Mikroskope sein, sondern elektronische Bauteile, mit denen elektrisches Rauschen untersucht und reduziert werden kann.
Sein Kollege Güntherodt, der damals der einzige andere Professor für experimentelle kondensierte Materie in Basel war, unterstützte auch diesen Ansatz. Er setzte sich im Rektorat für Christian ein und ermöglichte, dass dieser einen zweiten Berufungskredit bekam. «Für meinen Forschungsansatz gab es hier am Anfang keine Infrastruktur und ich musste das nach und nach aufbauen», berichtet Christian. «Mit der Zeit und weiteren Kolleginnen und Kollegen, die ähnliche Ausstattung benötigten, wurde das einfacher, da wir dann grössere Anschaffungen zusammen tätigen konnten.»
So begann Christian Schönenbergers Karriere an der Universität Basel. Über die Jahre wuchs das Departement Physik und auch sein Quantum and Nanoelectronics Lab. Er hat seither mehr als 230 Publikationen veröffentlicht, bekam zahlreiche Auszeichnungen und hat insgesamt Drittmittel von über 18 Millionen Schweizer Franken eingeworben.
Wichtig ist für Christian Schönenberger seit jeher auch die Ausbildung exzellenter junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Er hat sich von Beginn an für die Gründung des schweizweit einzigartigen Bachelor- und Master-Studiengangs Nanowissenschaften an der Universität Basel eingesetzt und dessen Weiterentwicklung immer gefördert. Insgesamt hat Christian in seiner Laufbahn 72 Doktorierende betreut, von denen noch einige an ihrer Promotion sitzen. Und auch für Outreach-Aktivitäten des SNI mit Kindern und Jugendlichen hat er immer wieder Platz in seinem übervollen Kalender geschaffen.
Immer wieder neue Themen
Gefragt nach seinen wissenschaftlichen Highlights erwähnt er ein in «Science» veröffentlichtes Hanbury-Brown- und Twiss-Experiment mit Elektronen auf einem Chip. Er konnte zusammen mit seinem Team zeigen, dass sich die Elektronen wie Fermionen verhalten und sich gegenseitig ausschliessen. Als zweites Highlight nennt er die Extraktion und Trennung verschränkter Elektronenpaare (Cooper-Paare) in einem Supraleiter. Diese Arbeiten, die in «Nature» veröffentlicht wurden, legten die Grundlage für weitere Experimente mit verschränkten Elektronen aus Supraleitern (siehe auch weiterführender Artikel zur experimentellen Untersuchung von Verschränkung in diesem SNI INSight).
Betrachtet man die eindrucksvolle Publikationsliste von Christian Schönenberger gibt es noch viel mehr Ansätze und Ergebnisse, die in der Wissenschaftswelt Beachtung gefunden haben. Es fällt aber auch auf, dass sich die Themengebiete im Laufe der Zeit immer wieder verändert haben. So begann Christian mit dem Start des Nationalen Forschungsschwerpunkts Nanowissenschaften 2001 ein ganz neues Kapitel rund um Nanoelektronik.
«Als Hans-Joachim Güntherodt damals zu mir kam, mit der Idee, dass wir zusammen mit der Biologie und Chemie einen NCCR beantragen sollten, war für mich gleich klar, dass ich die interdisziplinäre Arbeiten unterstützen wollte», erklärt Christian Schönenberger. «Über Hans-Werner Fink vom IBM Forschungszentrum, der damals in meinem Labor arbeitete, kam ich mit dem Chemiker Bernd Giese hier in Basel in Kontakt, der mit chemischen Elektroden die Leitfähigkeit von DNA untersuchte. Dadurch entstand zusammen mit Michel Calame die Idee, kleinere Moleküle in elektronischen Schaltkreisen einzusetzen und zu untersuchen.» Michel Calame, der viele Jahre lang im Schönenberger-Team arbeitete, setzt diesen Forschungszweig seit einigen Jahren als Gruppenleiter an der Empa erfolgreich fort.
Im Labor von Christian Schönenberger folgten dann die physikalische Untersuchung von zweidimensionalen Elektronengasen, metallischen Nanodrähten und Kohlenstoff-Nanoröhrchen. «Bei einem Besuch von Konstantin Novoselov in Basel, der zusammen mit Andre Geim den Nobelpreis für die Herstellung von Graphen bekommen hatte, habe ich mich dann auch von der Faszination für Graphen anstecken lassen und Forschung auf diesem Gebiet begonnen», erinnert sich Christian. Von Graphen war dann der Schritt zu anderen zweidimensionalen und zu van der Waals-Heterostrukturen nicht weit, die ihn bis heute in seiner Forschung beschäftigen.
Grosses Engagement für das Netzwerk
Neben der Wissenschaft hat sich Christian Schönenberger zusammen mit Hans-Joachim Güntherodt und anderen Kollegen in der Endphase des NCCRs enorm engagiert, um eine Weiterführung des aufgebauten interdisziplinären Netzwerks und des wissenschaftlichen Austauschs über Institutionsgrenzen hinweg auch für die Zukunft sicher zu stellen. Dank der Unterstützung des Kantons Aargau und der Universität Basel waren diese Anstrengungen erfolgreich und führten 2006 zur Gründung des SNI.
Danach gefragt, was rückblickend in der SNI-Zeit ein Highlight war, antwortet Christian: «Es freut mich sehr, dass sich das von uns damals ausgearbeitete Konzept bewährt hat. Das heisst, dass wir die drei Säulen Ausbildung, Grundlagenforschung und angewandte Forschung mit Knowhow-Transfer in die Industrie verwirklichen und den Kanton Aargau dabei gut einbinden konnten. Über die Zeit hat sich mit dem Nano Imaging Lab dann auch der Bereich der Dienstleistungen etabliert und konnte jetzt mit Gründung des Nano Fabrication Labs sogar noch ausgebaut werden. Das war anfänglich nicht absehbar, hat aber das SNI nochmal gestärkt.»
Noch keine Lücken im Terminkalender
Vom SNI hat sich Christian Schönenberger beim letzten Annual Event schon ein bisschen verabschiedet – obwohl er als Ehrenmitglied natürlich bei jedem SNI-Event immer herzlich willkommen ist – von der Forschung allerdings noch nicht. Er wird noch bis Sommer 2024 seine Gruppe führen und freut sich schon jetzt darauf, auch mal wieder selbst im Labor tätig zu werden, wenn seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeiten abschliessen und das Labor nach und nach leerer wird.
Obwohl er jetzt nicht mehr mit administrativen Aufgaben für das SNI beschäftigt ist, ist sein Terminkalender nicht leerer geworden. Da warten etliche Doktorarbeiten, die gelesen werden wollen, Mitarbeitende möchten ihre Arbeiten besprechen, Anfragen kommen per Mail und Vieles mehr. Ab und zu bleibt aber natürlich etwas Luft, um aufs Mountainbike zu steigen und sich auszupowern.
Auf jeden Fall ist klar, dass sich Christian Schönenberger, wenn er dann 2024 emeritiert wird, eine spannende neue Aufgabe suchen wird, die er dann – so wie wir ihn kennen – mit viel Einsatz und Elan erfüllen wird.
Weitere Informationen:
Forschungsgruppe Christian Schönenberger
Erwähnte Veröffentlichungen