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Preisträger des Wissenschaftspreises der Stadt Basel Professor Christoph Gerber im Portrait
Fast jeder im SNI kennt Professor Dr. Christoph Gerber. Er war massgeblich an der Gründung des Nationalen Forschungsschwerpunktes Nanowissenschaften (NFS Nano) beteiligt. Als Direktor für Wissenschaftliche Kommunikation im NFS Nano und als Projektleiter hat er wesentlich dazu beigetragen, dass der NFS und damit auch die Nachfolgeorganisaition SNI mit anderen internationalen Forschungseinrichtungen gut vernetzt ist und weltweit eine hervorragende Reputation geniesst. Nun ist Professor Gerber mit dem Wissenschaftspreis der Stadt Basel ausgezeichnet worden. Grund genug, ihn ein bisschen näher vorzustellen.
Von Büchern fasziniert
Christoph Gerber wurde im Jahr 1942 in Basel geboren. Bereits in den Kinderjahren hatte er eine Affinität zur Universität Basel, denn die Wiese am Petersplatz vor dem Kollegiengebäude war sein Spielplatz. Schon früh entdeckte er zudem seine Leidenschaft für Bücher und verbrachte so manche Nacht mit Taschenlampe und Buch unter der Bettdecke. Dabei waren es neben der üblichen Jugendliteratur vor allem Biografien von Naturwissenschaftlern, die ihn faszinierten. Charaktere wie Michael Faraday, der als Buchbinder die Zusammenfassungen grosser Wissenschaftler nicht nur gebunden, sondern auch gelesen und dann experimentell ausprobiert hat, haben Christoph Gerber enorm imponiert. Für ihn war es zunächst jedoch kein Thema selbst Naturwissenschaftler zu werden, denn er entschied sich für eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Nach dem Abschluss bewarb er sich erfolgreich bei der Schweizer Firma Contraves, die sich mit Instrumenten und Messsystemen der Feinmechanik, Optik und Elektronik weltweit einen Namen gemacht hat. Christoph Gerber wurde bald nach Beginn seiner Anstellung nach Schweden geschickt, um dort eine Position als Gruppenleiter zu übernehmen.
Im Team zum Erfolg
1966 zog es ihn zurück in die Schweiz zum IBM Forschungszentrum nach Rüschlikon. Für Christoph Gerber begann eine spannende und intensive Zeit. Er arbeitete eng mit dem späteren Nobelpreisträger Professor Heinrich Rohrer zusammen – zunächst an verschiedenen Themen der Tieftemperaturphysik und an strukturellen Phasenübergängen. Als dann Professor Gerd Binnig zu dem Team stiess, war für Christoph Gerber bald nur doch die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops ein Thema. Nächtelang tüftelte er an den technischen Schwierigkeiten, die mit diesem neuartigen Mikroskop verbunden waren. 1981 kam der Durchbruch. Das Wissenschaftlerteam von Rohrer, Binnig, Gerber und Weibel konnte zeigen, dass zwischen der nur nanometergrossen Spitze des Mikroskops und der zu messenden Probe ein Tunnelstrom fliesst, der sich exponentiell mit zunehmendem Abstand verringert. Es war also tatsächlich möglich, auf diese Weise die elektrischen Zustände einzelner Atome leitender Materialien abzubilden.
Die wissenschaftliche Welt reagierte sehr unterschiedlich auf diese Neuigkeiten. Während sich bei IBM die Türen für weitere Forschungsmittel öffneten, lehnte die renommierte Wissenschaftszeitschrift Physical Review Letters die Veröffentlichung der Publikation ab. Da der Tunneleffekt schon seit geraumer Zeit bekannt war, sei dieses neuartige Mikroskop zwar ein technisches Juwel, bringe wissenschaftlich jedoch keine Neuerung.
Viel zitierte Veröffentlichung
Die Wissenschaftler liessen sich jedoch nicht entmutigen und trieben ihre Forschung weiter voran. 1986 bekamen Binnig und Rohrer für die dann ausgereifte Entwicklung des Rastertunnelmikroskops den Nobelpreis. Im gleichen Jahr veröffentlichte Christoph Gerber zusammen mit den Professoren Gerd Binnig und Carl Quate die Erfindung des Rasterkraftmikroskops (RKM), mit dessen Hilfe sich auch nicht-leitende Materialien im Nanometerbereich darstellen lassen. Schon früh hatte die Wissenschaftler gestört, dass das Tunnelmikroskop nicht leitende, biologische Strukturen nicht analysieren kann. Daher entwickelten sie die Idee, statt des Tunnelstroms die Kräfte zu messen, die beim Abtasten einer Probe auf die winzige Mikroskopspitze wirken. Dieser Ansatz hat sich als wahre Erfolgsgeschichte herausgestellt. Die 1986 in Physical Review Letters (PRL) veröffentlichte Publikation ist bis heute die meist zitierte Veröffentlichung in PRL, die sich mit einem experimentellen Problem befasst. Heute ist die Technik soweit ausgereift, dass sich biologische Vorgänge in vivo in einer Abfolge von Aufnahmen verfolgen lassen, wobei Moleküle und einzelne Atome dargestellt werden können. Das Rasterkraftmikroskop ist damit für Forschende in Biologie und Medizin zu einem elementaren Werkzeug geworden, dass ihnen beim Bemühen die Natur zu verstehen neue Ansichten eröffnet.
Federbalken als neues Forschungsobjekt
Für Christoph Gerber waren dies aufregende Jahre. Er verbrachte zwei Jahre im IBM Forschungszentrum in Kalifornien, instruierte zahlreiche Kolleginnen und Kollegen in der Anwendung der neuartigen Mikroskope und teilte mit ihnen seine Tricks und Kniffe, die er sich während der gesamten Entwicklungszeit erworben hatte. Sein Wissen um die Rasterkraftmikroskopie erlaubte ihm noch andere Wege zu verfolgen. Es wurde Christoph Gerber bald klar, dass auch die Oberfläche der beim Rasterkraftmikroskop verwendeten Federbalken und die Analyse der auf sie wirkende Kräfte zur Diagnostik eingesetzt werden können. Bestückt man diese Federbalken beispielweise mit Molekülen, lässt sich messen, wenn Verbindungen aus einer Testlösung an diese Moleküle binden. Es war so ein winziges diagnostisches Werkzeug geboren, das schnell und kostengünstig kleinste Mengen verschiedenster Substanzen nachweisen kann. Die Anwendungen dieser Federbalkentechnologie sind vielfältig. Es lassen sich damit spezifische Substanzen nachweisen, aber auch Proteine, Gene und Mikroorganismen. Und selbst in der Quantenwelt nutzen Forschende die Federbalken für ihre Forschung.
Wechsel nach Basel
Ende der Neunziger Jahre begann für Christoph Gerber eine neue Ära. Er hatte schon kurz nach Entwicklung des Rasterkraftmikroskops Kontakt mit Professor Hans-Joachim Güntherodt von der Universität Basel, der die neuen Mikroskope zur atomaren Analyse von metallischen Gläsern nutzen wollte. Güntherodt war schon früh vom Nutzen der neuen Technologie überzeugt und sehr an einer Zusammenarbeit interessiert. Er entwickelte zusammen mit Christoph Gerber die Idee eines Nanozentrums in Basel. Die Ausschreibung der Nationalen Forschungsschwerpunkte (NFS) durch den Schweizerischen Nationalfond kam da gerade recht. Die Kollegen an der Universität Basel waren schnell zu überzeugen, dass den Nanowissenschaften die Zukunft gehören werde. 2001 wurde dann der NFS Nanowissenschaften mit der Universität Basel als Leading House gegründet. Christoph Gerber liess sich daraufhin bei IBM pensionieren und steckte seine ganze Energie und Motivation in die neue Aufgabe als Projektleiter für Federbalkenprojekte und als Direktor für wissenschaftliche Kommunikation des NFS.
Zusammenarbeit, Leidenschaft und Ausdauer als Erfolgsfaktoren
Christoph Gerber selbst ist durch seine Pionierarbeiten in den Nanowissenschaften ein hochgeschätzter, international anerkannter Wissenschaftler geworden. Er gehört zu den meist zierten Physikern weltweit, wurde mit verschiedenen akademischen Titeln und Mitgliedschaften geehrt und hat zahlreichen Ehrungen und Preise erhalten. Im Februar 2012 wird ihm der „Life Time Achievement Award“ des Wissenschaftsjournals Nature verliehen und kürzlich hat er den Wissenschaftspreis der Stadt Basel erhalten. Für Christoph Gerber sind dies Preise, die er immer auch seinen Teams zu verdanken hat. Ohne die Zusammenarbeit, den Zusammenhalt und den Austausch mit seinen enthusiastischen Kolleginnen, Kollegen und Mitarbeitenden wären diese Erfolgsgeschichten nicht möglich gewesen. „Für den Erfolg in der Wissenschaft sind Engagement und Ausdauer erforderlich“, antwortet er auf die Frage nach dem Credo seiner Karriere. „“Es ist daneben ganz wichtig, Dogmen in Frage zu stellen und zu durchbrechen, den eigenen Weg zu gehen und hart an seinen Visionen zu arbeiten.“
Für die Zukunft hat Christoph Gerber noch genug Energie und Motivation, um wissenschaftlich so aktiv zu bleiben und weitere Impulse in den Nanowissenschaften zu setzen. Allerdings gäbe es auch Nachholbedarf bei den Aktivitäten, mit denen er sich immer einen Ausgleich zur Wissenschaft verschafft hat, verrät er im Gespräch. So warten im Winter etliche Tiefschneehänge auf ihn und in der wärmeren Jahreszeit gilt es sein Golfhandicap, zu verbessern. Er möchte da gerne dem zweimaligen Nobelpreisträger in Physik John Bardeen nacheifern, dem wohl sein „Hole in One“ beim Golf wichtiger war als seine Nobelpreise. Und dann warten sicher auch noch eine Menge Bücher auf Christoph Gerber …